nd-aktuell.de / 08.11.2019 / Sport / Seite 16

Der Abwärtsspirale entkommen

Leverkusen kann nach dem 2:1 gegen Atlético Madrid noch aufs Achtelfinale hoffen

Andreas Morbach, Leverkusen

Am vergangenen Wochenende rügte Peter Bosz sein Team noch für »die schlechteste Halbzeit«, die es unter seiner Leitung je gezeigt habe. Vier Tage nach dem 1:2 gegen Bundesligaprimus Gladbach hatte sich die Laune des Leverkusener Coachs dann aber grundlegend gewandelt: Nach sechs erfolglosen Versuchen mit Dortmund vor zwei Jahren bedeutete das 2:1 über den kontinentalen Hochkaräter Atlético Madrid für den 55-Jährigen den ersten Erfolg als Trainer in der Champions League. »Es geht nicht um das Persönliche, der Sieg war wichtig für die Mannschaft«, winkte Bosz ab. Für Späße zu haben war er an diesem Abend aber schon.

Zu der einmütigen Massenkeilerei, die sich beide Teams kurz vor Schluss vor dem Atlético-Tor lieferten und der slowenische Schiedsrichter Damir Skomina in einer Sammelaktion mit vier (gerecht verteilten) Verwarnungen beantwortete, sagte der frühere Mittelfeldspieler zum Beispiel: »Doch, so etwas gab es bei uns auch. Und ich war meistens daran beteiligt.« Sprachs und grinste von einem Ohr zum anderen.

Nichts zu lachen bei Bosz hatten nach zuletzt vier sieglosen Spielen in der Liga dagegen zwei prominente Mitglieder der Werkself: Der Argentinier Lucas Alario, der am Samstag gegen Gladbach zwei Superchancen vergab, verbrachte gegen Madrid den Abend auf der Ersatzbank. Erst gar nicht in den 18er-Kader schaffte es Leon Bailey. Mit seiner überflüssigen Roten Karte im Gladbach-Spiel hatte der Jamaikaner seinen Trainer mächtig verärgert. »Er kommt von einer Verletzung zurück. Aber ich habe ihm auch gesagt: Du musst hart arbeiten, um wieder in die Mannschaft zu kommen«, erklärte Bosz nun.

Um der gefährlichen Abwärtsspirale zu entrinnen, ließ sich der Niederländer, also etwas einfallen. »Das Vertrauen war da, aber man braucht Ergebnisse. Wenn man gut spielt und nicht punktet, spielt man irgendwann schlecht. Heute haben wir gut gespielt und gepunktet«, befand Bayers Übungsleiter nach dem Sieg über den spanischen Vizemeister, bei dem er sein Ensemble nicht nur tiefer verteidigen ließ als üblich. Sondern wo er zudem beobachten durfte, wie sein mitunter etwas zielloses Personal plötzlich einen scharfen Eckball nach dem anderen direkt vors Tor der Madrilenen drosch.

»Wir haben von Anfang an sehr viel Wert auf Eckbälle gelegt«, berichtete Bosz. »Und wenn man viel übt, hilft das auch.« Aus einem Eckstoß entstand folgerichtig auch die Führung, die Atléticos verdutzter Ghanaer Thomas den Gastgebern per Kopfball ins eigene Tor kurz vor der Pause verschaffte. Beim 2:0 in der 55. Minute wischte Kevin Volland Bayers latente Abschlussschwäche mit einem kaltschnäuzigen Treffer erst mal beiseite. Keeper Lukas Hradecky rettete der Bosz-Elf nach dem Platzverweis gegen Nadiem Amiri und Atléticos spätem Anschlusstor durch Alvaro Morata mit einer starken Fußabwehr in allerletzter Sekunde schließlich die drei Punkte.

»Der Schlüssel war, dass wir sehr griffig nach vorne verteidigt haben. Bei den zweiten Bällen waren wir da, haben gut Fußball gespielt, in engen Situationen Ruhe bewahrt und hinten alles abgefrühstückt. Das alles gemixt brauchst du, um solche Gegner zu schlagen«, betonte Mittelstürmer Volland nach dem Premierensieg auf internationaler Bühne. Den Rheinländern bleibt nach drei Einstiegsniederlagen nun weiterhin die Chance auf den Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse.

Dazu müsste Atlético allerdings in drei Wochen bei Juventus Turin, das bereits in der K.o.-Runde steht, verlieren - und dürfte zudem am letzten Spieltag die Heimpartie gegen Lokomotive Moskau nicht gewinnen. Wahrscheinlicher ist die Variante, dass sich am 26. November beim Bayer-Besuch in Moskau entscheidet, welcher der beiden Klubs als Dritter das Ticket in die Zwischenrunde der Europa League holt. Die 1:2-Heimpleite gegen die Russen haben die Leverkusener noch im Kopf. Doch mit dem frisch gewonnenen Selbstvertrauen kommentierte Torschütze Volland nun: »Das Spiel gegen Atlético war der richtige Schritt, um Moskau ein bisschen unter Druck zu setzen.«