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»Alles gut«

Nach mehreren Tätlichkeiten im Spiel zwischen Freiburg und Frankfurt versuchen die Klubs zu deeskalieren

Wenn Christian Streich einen Sachverhalt möglichst präzise schildern will, gelingt ihm das im heimischen Dialekt am besten. In einer Pressekonferenz rutscht ihm dann schon mal ein »Dubel« (hochdeutsch für »unbedarfter Mensch«) heraus. Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass der Trainer des SC Freiburg nach dem 1:0-Sieg seiner Elf am Sonntagabend die Attacke von Eintracht Frankfurts Abwehrmann David Abraham auf alemannisch wiedergab: »Dann hat er mich halt, bumm, über dä Huffe g’rennt.« Dass er das Über-den-Haufen-Gerannt-Werden augenscheinlich ganz gut überstanden habe, betonte er dann auch umgehend. Er mache eben nicht ohne Grund jeden Morgen Dehn- und sonstige gymnastische Übungen: »Es ist also nicht gesagt, dass ich immer gleich verletzt bin.«

Tatsächlich hatte Abraham in der Nachspielzeit den Freiburger Trainer augenscheinlich in voller Absicht und mit dem vollen Körpergewicht im Sprint in dessen Coaching-Zone umgecheckt. Und das offenbar aus Frust, weil Streich den ins Aus rollenden Ball einfach hatte passieren lassen. Nach der anschließenden Rudelbildung sah auch der längst ausgewechselte Vincenzo Grifo zu Recht Rot. Der Freiburger Offensivmann hatte Abraham vehement ins Gesicht gefasst. Drei Platzverweise gab es insgesamt. Der Frankfurter Mittelfeldspieler Gelson Fernandes war nach wiederholtem Foulspiel schon zum Ende der ersten Halbzeit vom Platz geflogen.

Dennoch war schon unmittelbar nach dem Schlusspfiff Deeskalation angesagt. Streich, sein Frankfurter Kollege Adi Hütter, Grifo und Abraham berieten sich noch in der Kabine - kurz darauf twitterten beide Vereine ein Foto, das zwei lachende Spieler beim freundlichen Handshake zeigt. Und die Eintracht veröffentlichte ein Abraham-Statement, in dem sich der Argentinier »in aller Form« beim Freiburger Trainer entschuldigte. Er habe »den Ball möglichst schnell ins Spiel bringen« wollen und hätte »ausweichen müssen«, nun sei er froh, dass nach einem Gespräch zwischen Streich und ihm wieder »alles gut« ist.

David Abraham ist außerhalb des Fußballplatzes ein ausgeglichener und freundlicher Zeitgenosse. Auf dem Rasen lässt sich das von dem 33-Jährigen nicht unbedingt behaupten. Schon vor der Kollision mit Streich hatte er Frustfoul an Frustfoul gereiht. Und die Aktion am Sonntagabend war auch nicht der erste veritable Ausraster des Argentiniers, der seit 2015 bei der Eintracht spielt. Im Dezember 2016 rammte er dem damaligen Hoffenheimer Stürmer Sandro Wagner mit einer solchen Brutalität den Ellenbogen ins Gesicht, dass sich nicht nur Wagners damaliger Trainer Julian Nagelsmann fragte, wie nett Menschen sein können, die so skrupellos die Gesundheit eines Kollegen riskieren. »Wenn ich irgendwo sehe, wie ein Mann einem anderen mit dem Ellbogen in dieser Art und Weise ins Gesicht schlägt, klicken die Handschellen. Da fehlt mir die Relation zwischen dem Sport und dem realen Leben.«

Alles in allem, so hingegen Streichs Plädoyer, solle man aus dem Ganzen »keine große Geschichte« machen. Abraham sei »ein extrem emotionaler Spieler«, dem »die Sicherungen durchgebrannt« seien. Doch er habe sich noch auf dem Platz entschuldigt und gesagt: »Ich dachte, du bist stabiler.« Damit sei das Thema erledigt. »Runterfahren, fertig. Nicht noch dumm rumschwätzen.« Rumschwätzen werden sie in Frankfurt in den kommenden Tagen allerdings wohl trotz aller frommer Wünsche. Sie werden es müssen. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass der Deutsche Fußball-Bund den ersten Bodycheck eines Spielers gegen einen Trainer seit Bundesligagründung mit dem Standardstrafsatz für Rote Karten ahnden wird, Abraham dürfte also länger ausfallen. Dass er nach seiner Sperre wieder mit der Kapitänsbinde auflaufen wird, scheint indes eher unwahrscheinlich. Abraham mag außerhalb des Platzes ein netter Kerl sein. Auf dem Rasen ist er vieles. Nur kein Vorbild.

Am Sonntagabend gaben sich beide Trainer Mühe, die Rede weg von Abrahams Check und der anschließenden Rudelbildung hin zur sportlichen Situation zu bringen. Kein Wunder, schließlich hatten die Freiburger mit dem 1:0 durch ein Tor von Nils Petersen in der 77. Minute den sechsten dreifachen Punktgewinn in dieser Saison geschafft und gehen nun als Tabellenvierter in die Länderspielpause. Dass die Badener mit jetzt schon 21 Zählern mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben dürften, scheint trotz aller Dementis von Streich und seinen Spielern offensichtlich. Dementsprechend stolz präsentierte sich trotz allen Understatements auch der Trainer, der vor allem die Mentalität seiner Elf lobte: »Gegen Bremen, Leipzig, Dortmund und jetzt gegen Frankfurt lief vieles gegen uns. Trotzdem haben wir keines dieser Spiele verloren.«

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