»Wir wissen, es wird hart«

Grüne und Konservative einigen sich in Österreich auf Koalitionsverhandlungen

  • Johannes Greß, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich darf Ihnen mitteilen, die österreichischen Grünen wollen mit der ÖVP in Verhandlungen eintreten«, gab Grünen-Chef Werner Kogler am Sonntag bekannt. Zuvor tagte der erweiterte Bundesvorstand der Grünen für rund vier Stunden. Am Ende stimmten alle 27 Mitglieder des Gremiums für Koalitionsverhandlungen mit der Österreichischen Volkspartei. Damit fiel die Abstimmung deutlicher aus als erwartet, einfach dürften die Gespräche aber nicht werden.

»Selbstverständlich ist das nicht«, betont Kogler und spricht in diesem Zusammenhang auch von einem »Wagnis« für seine Partei. Verpassten die Grünen noch vor zwei Jahren den Einzug in den Nationalrat, schafften sie bei den Wahlen Ende September mit 14 Prozent ein eindrucksvolles Comeback. Ex-Kanzler Sebastian Kurz - seine ÖVP erreichte mit 37 Prozent die meisten Stimmen - hatte zunächst alle Parteien zu Gesprächen eingeladen. Nur die FPÖ lehnte ab.

Montagvormittag gab auch Kurz bekannt, nach sechs Wochen Sondierungsgesprächen - die in Österreich traditionell den Koalitionsverhandlungen vorausgehen - mit den Grünen verhandeln zu wollen. Am Dienstag kommen die beiden Parteichefs erstmals zu Gesprächen zusammen. Bereits 2003 saßen ÖVP und Grüne gemeinsam am Verhandlungstisch, auch Kogler war damals schon mit dabei. Doch eine Einigung kam nicht zustande. Eine schwarz-grüne Koalition wäre in Österreich zumindest auf Bundesebene ein Novum.

Keine Frage, die ideologischen Gräben zwischen den Parteien sind tief. Schwierig könnte es zum Beispiel beim Thema Landwirtschaft werden. Die Grünen pochen hier auf eine umfassende und weitreichende Ökologisierung - die ÖVP, die sich traditionell dem Bauernbund verpflichtet fühlt, lehnt eine solche strikt ab. Auch in Sachen Migrationspolitik scheiden sie die Geister. Sollte Kurz weiterhin im FPÖ-Jargon von »illegaler Migration« und »NGO-Wahnsinn« sprechen, wird das bei vielen Grünen auf Widerstand stoßen.

Große Differenzen wird es wohl auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geben. So beharrt die ÖVP auf der schwarzen Null, will die Körperschaftssteuer weiter senken und Steuererhöhungen auf jeden Fall vermeiden - genau das Gegenteil von dem, was die Grünen fordern. Diese hatten bereits im Vorfeld klar gemacht, wieder deutlich mehr Geld ausgeben zu wollen, vor allem im Bereich Umwelt und Soziales. Ebenso lehnen die Grünen eine Senkung der Körperschaftssteuer ab. Zur Bekämpfung der Klimakrise wollen sie so rasch wie möglich eine CO2-Steuer einführen.

»Österreich sollte zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Europa werden« und dabei »Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen«, erklärte Kogler am Sonntag. Das bekommt man so auch von diversen ÖVP-Vertreter*innen zu hören, was nicht heißen muss, dass beide auch wirklich dasselbe meinen. Schließlich bedienen beide Parteien ein höchst unterschiedliches Wählerklientel. Ob ein Klimaschutz, wie ihn sich die Grünen vorstellen, mit den Kapitalinteressen einer ÖVP in Einklang zu bringen ist, wird sich zeigen müssen.

Beide Seiten werden sich auf lange und intensive Gespräche einstellen müssen. »Wir wissen, es wird hart«, sagte die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein am Sonntag am Rande der Pressekonferenz. Der Nationalratsabgeordnete Michel Reimon schätzt die Chancen auf eine Einigung immerhin auf »über 50 Prozent«. Bevor es zu einer Koalition kommen kann, muss allerdings erst die Parteibasis zustimmen. Dieses Problem hat Kurz nicht: Seit einer Statutenänderung ist er mit sämtlichen Vollmachten ausgestattet und kann in dieser Frage allein entscheiden.

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