AfD-Mann von Ausschuss-Spitze abgewählt

Kritiker werfen Politiker vor für NPD-nahe Zeitschrift geschrieben zu haben

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Mainz. Mit der Abwahl Joachim Paul als Vorsitzender des Medienausschusses des Landtags ist die Konfliktlinie zwischen der AfD und den übrigen Landtagsparteien deutlich wie selten in Rheinland-Pfalz zu Tage getreten. Das Votum gegen den AfD-Mann Paul an der Spitze des Gremiums war für das Landesparlament ein Novum. Einmütig sprachen sich am Dienstag in Mainz Vertreter von SPD, CDU, FDP und Grünen gegen ihn aus. Der Protagonist selbst war nicht mit dabei, sparte anschließend aus der Ferne aber nicht mit Kritik.

Beachtenswert ist der Vorgang im Ausschuss für Medien, Digitale Infrastruktur und Netzpolitik auch deshalb, weil er sich mit Paul um einen der prominentesten Vertreter seiner Partei im Land dreht. Und der will sich just am kommenden Samstag zum Landeschef wählen lassen und damit als Nachfolger von Uwe Junge zum neuen starken Mann der rheinland-pfälzischen AfD aufsteigen.

Die Sondersitzung des Ausschusses, bei der nur die Abwahl Pauls auf dem Programm stand, hatten die vier Fraktionen der Ampel-Koalition und der oppositionellen CDU beantragt. Eingeladen hatte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) - und nicht wie sonst üblich der Vorsitzende des Gremiums, also Paul. Das hält der AfD-Mann für nicht rechtens und kündigte eine »intensive« juristische Prüfung an.

Die vier anderen Fraktionen sehen bei dem 49-jährigen Paul Hinweise zu rechtsextremem Gedankengut. Paul wird unter anderem vorgeworfen vor Jahren einen Beitrag für eine NPD-nahe Zeitschrift verfasst zu haben. Dies hat er wiederholt bestritten. Zudem werden mit ihm Mailadressen in Verbindung gebracht, in denen der aus dem italienischen Faschismus stammende Begriff »Black Shirt« vorkommt.

CDU-Fraktionschef Christian Baldauf und Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun sagten im Ausschuss, Paul habe sich nicht von dem Begriff distanziert. Auch SS-Leute hätten im Dritten Reich schwarze Hemden getragen, sagte Baldauf. Braun betonte, die SS gehöre zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Wer sich davon nicht distanziere, sei für ihn auch als Abgeordneter nicht mehr tragbar, er könne in einem demokratischen Staat keine Bürger vertreten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Martin Haller, sagte vor dem Votum, Paul habe dem Ausschuss keine Wahl gelassen. »Wir müssen handeln.« Es stehe im Raum, dass der AfD-Politiker gegenüber dem Ausschuss und gegenüber der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt habe. Ähnlich äußerte sich Steven Wink. Paul habe den Ausschuss im Dunklen tappen lassen, kritisierte der FDP-Mann.

Paul konterte bei einer Pressekonferenz der AfD-Fraktion zu den Plenar-Initiativen für diese Woche. Hering habe sich mit der Einladung zu der Sondersitzung über Regelungen der Geschäftsordnung des Landtages hinweggesetzt. Das halte er für zweifelhaft und beispiellos. Paul verwies auf Paragraf 77 der Geschäftsordnung des Parlaments.

Dort heißt es unter anderem: »Die Vorsitzenden sind zur Einberufung der Ausschüsse verpflichtet, wenn dies von mindestens einem Drittel der Ausschussmitglieder unter Angabe des Beratungsgegenstandes verlangt wird; kommen sie dieser Verpflichtung nicht unverzüglich nach, beruft der Präsident die Ausschüsse ein.« Paul sagte, er habe nach dem Antrag für die Sitzung nicht schuldhaft gezögert, aber nur dann wäre Hering zu der Einladung berechtigt gewesen.

Diesen Standpunkt hatte der Landtagspräsident bereits am Wochenende zurückgewiesen und betont, er sei zu dem Schritt berechtigt und verpflichtet gewesen. In einer Mail an Paul hatte Hering geschrieben, der AfD-Politiker habe in einem Telefonat zu erkennen gegeben, nicht zu der Sitzung einladen und den Antrag gegebenenfalls überprüfen lassen zu wollen. Ein solches Prüfungsrecht stehe ihm nicht zu.

Die Sondersitzung des Ausschusses leitete der stellvertretende Vorsitzende Daniel Schäffner von der SPD. Er sagte, Paul habe keine Verhinderungsgründe für die Sitzung genannt. Auf die Frage Baldaufs, ob es auch nur Ansätze von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Einladung durch Hering gebe, sagte Schäffner: »Dazu gibt es keine Hinweise.« Kurz darauf war die Abwahl fix. Für zwischenzeitliches Schmunzeln sorgte Schäffner, als er den Grünen-Politiker Braun irrtümlich als »Herr Dr. Paul« ansprach.

Wer fortan dem Ausschuss vorsitzt, ist noch unklar. Das Recht darauf bleibt bei der AfD-Fraktion. Ob sie einen anderen Abgeordneten dafür ausguckt, steht noch nicht fest, da die Fraktion den Vorgang der Abwahl an sich anzweifelt. Die Frage des künftigen Vorsitzenden stelle sich derzeit nicht, sagte AfD-Fraktionssprecher Fabian Schütz.

Paul sagte, mit seiner Abwahl sei der Ausschuss zur »Bühne für politisches Kasperletheater« geworden. Sein angebliches privates Surfverhalten im Internet werde ausgeschnüffelt. »Die informationelle Selbstbestimmung gilt auch für Politiker, die nicht links sind.«

Noch-AfD-Landeschef Uwe Junge, der beim Parteitag in Bingen nicht mehr antritt und Ende November für den AfD-Bundesvorstand kandidiert, sagte zu dem Wirbel: »Natürlich ist es störend.« Er stehe aber grundsätzlich zu allen Fraktionsmitgliedern - und das zu 100 Prozent. Was zu klären sei, werde die AfD-Fraktion intern klären - unter anderem auf einer Fraktionssitzung am Mittwoch. Zu der Frage, ob er sich vorstellen könne, doch als Landesvorsitzender weiterzumachen, sagte Junge: »Ich trete nicht mehr an, das hatte ich deutlich gemacht.« dpa/nd

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