nd-aktuell.de / 14.11.2019 / Kultur / Seite 16

Rechte Romantik

Wohin treibt die deutsche Literatur? Wie politisch ist ihr Sentiment? Wie weit nach rechts geht es mit der »Neuen Romantik«? Das ist der Titel eines nützlichen kleinen Büchleins, das als »Eine kleine Literaturgeschichte 1989-2019« schon Anfang des Jahres erschienen ist. Verschiedene Autoren nehmen anhand von Begriffen wie »Einsamkeit«, »Erlösung«, »Flucht«, »Wolf« oder »Wildnis« Positionsbestimmungen vor, die miniaturisierten Lexikonartikeln gleichen. Die Reise geht politisch vom Essay »Anschwellender Bocksgesang« des Botho Strauß, der als eine Art Pionierarbeit für die Neue Rechte 1993 im »Spiegel« erschien und angesichts der Pogrome gegen Ausländer davon schwadronierte, dass »ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen«, über Martin Walsers Frankfurter Paulskirchen-Rede 1998, in der sich dieser gegen die »Moralkeule Auschwitz« verwahrte, bis hin zu den Einlassungen des Uwe Tellkamp 2018 über die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit für rechte Autoren. Ästhetisch ist dem ein Geraune und Gemurmel in deutschen Nebelwelten beigemengt, eine Faszination für Ruinen und wilde Tiere (wie bei Martin Mosebach) oder für Ernst Jünger (wie bei Uwe Tellkamp). Der rationalisierten Welt der Technik wird hierbei eine leicht ironisierte Innerlichkeit entgegengehalten, ein einsames Rebellentum auf der Suche nach dem Wahrhaftigen inszeniert, als Fluchtbewegung vor dem Zweckhaften und Digitalen, aber auch vor der faschistischen Vergangenheit, die selbst ein eher klassisch sozialdemokratisch orientierter Autor wie Walter Kempowski mit der Frage nach dem »Zauberwort« zu bannen suchte. Folgt man diesen Gefühlen, dann landet man unweigerlich wieder bei Volk und Heimat als modernen Märchen und vermeintlichen Kraftfeldern. Reagierte die alte Romantik auf den Umbruch 1789, so reagiert die neue auf den von 1989. Was letztere dabei so problematisch macht, wie die Herausgeber Hendrikje Schauer und Marcel Lepper im Vorwort schreiben, ist »ihr einnehmender, nicht selten vereinnahmender Modus, ihre inszenierte Preisgabe von Konturen und Zuständigkeiten, von höflich schützenden Grenzen zwischen ›ich‹ und ›du‹ - in übergroßer Sehnsucht nach einem verloren geglaubten ›wir‹« (Works & Nights, 97 S., br., 10 €).