Im Hungerstreik gegen koloniales Unrecht

Nachfahre eines deutschen Beamten in Togo will Aufenthalt erreichen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Solange ich den deutschen Namen trage, werde ich nicht aufgeben«, sagt Gerson Liebl am Donnerstagnachmittag. Gerade ist er nach stundenlangem Warten aus der Berliner Ausländerbehörde gekommen. Ergebnislos. Am nächsten Montag solle er wieder kommen, habe es geheißen. Am Freitag will Liebl den Berliner Weihbischof Matthias Heinrich treffen, als Christ erhofft er sich Unterstützung von kirchlicher Seite.

Gerson Liebl sagt, er fühle sich schwach. Am Mittwochabend ist er mit einem Unterstützer ins Krankenhaus gefahren und hat Medikamente bekommen. Seit dem 13. November befindet sich der 57-Jährige im Hungerstreik, eine Woche lang hat er Tag und Nacht vor dem Roten Rathaus campiert, um auf seine Situation aufmerksam zu machen. Diese ist nur ein weiterer Höhepunkt in einer bereits Jahrzehnte währenden Auseinandersetzung Liebls mit dem deutschen Staat. Wann genau diese begonnen hat, ist eine Frage der historischen Perspektive.

Gerson Liebls Großvater war deutscher Beamter in der Kolonie Togo, heiratete aber die togoische Mutter seines Kindes ausschließlich traditionell. Eine Ehe nach deutschem Recht konnte es nicht geben, weil »Mischehen« den kolonialen Beamten aus rassistischen Gründen verboten waren. So blieb diesem und weiteren Nachfahren bisher die Einbürgerung nach Deutschland verwehrt. Trotzdem stellte Gerson Liebl einen solchen Antrag 1992, nachdem er 1991 nach Deutschland gekommen war.

Liebl erhält 2003 in Rheinland-Pfalz Bleiberecht, inzwischen ist er seit 1994 verheiratet und hat einen Sohn, Gergi. 2009, als dieser zehn Jahre alt ist und die Familie bereits in Berlin lebt, wird Gerson Liebl sein Bleiberecht aberkannt und er nach Togo abgeschoben. Seine Frau Ginette und sein Sohn gehen, um nicht ebenfalls abgeschoben zu werden, ins Kirchenasyl. Der Fall ist damals breit in den Medien gewesen.

Die togoischen Behörden weigern sich bis heute, Liebl einen Pass ihres Landes auszustellen, für sie ist die Familie staatenlos und Gergi Liebl als in Deutschland geborenes Kind ohnehin Deutscher. Staatenlos bleibt Gerson Liebl bis zum Jahr 2017 in Togo. Jahrelang kämpft die Familie um Familienzusammenführung. Im Juli 2016 teilt die Senatsinnenverwaltung mit, dass diese stattfinden könne. Aber erst im August 2017, kurz bevor sein Sohn 18 Jahre alt wird, erhält Gerson Liebl schließlich von der deutschen Botschaft in Lomé einen knapp drei Monate gültigen Reiseausweis - exakt bis zum Datum des 18. Geburtstages seines Sohnes am 24. Dezember 2017 ausgestellt. Danach ist der Aufenthaltsgrund Familienzusammenführung hinfällig. Dennoch versucht Gerson Liebl in den wenigen ihm verbleibenden Wochen alles, um seine ihm zustehenden Aufenthaltspapiere zu bekommen. Die Berliner Ausländerbehörde reagiert auf keines seiner Schreiben.

Liebls Sohn ist eingebürgert, seine Ehefrau ist niedergelassen und hat den Einbürgerungstest bereits hinter sich gebracht. Auch Gerson Liebl hat die Staatsbürgerschaft beantragt. Und zuvor die Niederlassung, die Verlängerung des Reiseausweises, die Aufenthaltserlaubnis. Alles lehnt die Ausländerbehörde ab. Seit Februar 2019 klagt sich Liebl durch verschiedene verwaltungsgerichtlichen Instanzen. Auf den letzten Bescheid zur erneuten Antragsstellung im Oktober gab es keine Reaktion. »Ich musste etwas machen, deshalb habe ich den Hungerstreik begonnen«, sagt Liebl.

Nun erteilt die Ausländerbehörde ihm eine Meldefrist und gibt ihm die Möglichkeit, den Antrag direkt zu stellen. Hoffentlich am Montag. Hoffentlich hilfreich: Ein Empfehlungsschreiben des Petitionsausschusses vom Abgeordnetenhaus zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß des Paragrafen zum Ehegattennachzug.

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