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Gefängnisse bereiten sich auf IS-Rückkehrer vor

Justizsenator Dirk Behrendt sieht Berlin für islamistische Kämpfer aus der Türkei und Nordsyrien gewappnet

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Während die Bundespolitik noch über die Rückkehr von deutschen IS-Anhänger*innen diskutiert, rüstet sich Berlin bereits dafür: »Wir sind auf etwaige Rückkehrer aus Nordsyrien und der Türkei vorbereitet«, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Berliner Justizvollzugs. So habe man eine Strategie zum Umgang mit radikalem Islamismus entwickelt, um eine weitere Radikalisierung sowie die Rekrutierung von Mitgefangenen zu verhindern.

14 gewaltbereite Gefangene mit radikal-islamistischer Gesinnung sitzen derzeit in Berliner Gefängnissen. Hinzu kommen weitere 21 Inhaftierte, die mit gewaltbereitem extremistischen Islamismus sympathisierten, teilte die Senatsjustizverwaltung am Mittwoch mit. Dabei handle es sich ausschließlich um männliche Gefangene. Von diesen zwei Gruppen unterscheide man zudem sogenannte Gefährdete, die empfänglich für eine extremistische Beeinflussung sind.

Mit speziellen Beratungs-, Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen versuchen die Justizvollzugsanstalten, die Häftlinge zu deradikalisieren und religiösem Extremismus vorzubeugen. Das sei umso wichtiger, weil die meisten nur kurze Haftstrafen verbüßen und über kurz oder lang wieder in die Stadtgesellschaft entlassen werden, so Behrendt. Mit den Maßnahmen gelinge es, vielen von ihnen, vor allem Jugendlichen, eine alternative Perspektive aufzuzeigen. »Aber es gibt einen harten Kern, der ideologisch gefestigt ist«, so Behrendt. Die Gefängnis-Mitarbeiter würden für den Umgang mit radikalen Islamisten geschult und sensibilisiert.

Der Justizsenator hat auch gute Nachrichten im Gepäck: Nach dem spektakulären Ausbruch im vergangenen Jahr, bei dem einem Gefangenen der JVA Tegel mittels einer Attrappe aus Kleidung, Toilettenpapier und Stoffresten die Flucht gelang, kam es in diesem Jahr bislang zu keinem Ausbruch aus dem geschlossenen Vollzug. Erst im Oktober hatte ein gescheiterter Fluchtversuch, bei dem ein Gefangener die Gitterstäbe seiner Zelle auf raffinierte Weise zum schmelzen gebracht hatte, für Aufsehen gesorgt.

Insgesamt geht die Belegung in den Gefängnissen, insbesondere in den Jugendhaftanstalten, kontinuierlich zurück, so die zuständige Abteilungsleiterin Susanne Gerlach. So gebe es nur noch halb so viele jugendliche Gefangene wie noch vor ein paar Jahren. Fast elf Prozent der Inhaftierten verbüßen zurzeit eine Ersatzfreiheitsstrafe, etwa wegen Fahrens ohne Ticket. 259 Männer und 32 Frauen sitzen derzeit ein, weil sie ihre Geldstrafe nicht bezahlt haben.

Behrendt fordert schon lange, dass Fahren ohne Ticket vom Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit heruntergestuft wird, um Haftstrafen zu vermeiden. Damit konnte er sich zwar bislang nicht durchsetzen, dafür zeigt das Programm »Arbeit statt Strafe« - auch »schwitzen statt sitzen« genannt - Wirkung: In diesem Jahr konnten dadurch 154 Haftplätze eingespart werden, so Gerlach. Mit dem Programm kann durch sechs Stunden Arbeit ein Tagessatz der Geldstrafe oder ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe getilgt werden. Bis November wurden so 56 000 Tagessätze beglichen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Justizsenatsverwaltung ist die Suizidprävention. Mit Erfolg: Gab es von 2000 bis 2018 im Durchschnitt sechs Suizide jährlich, war es in diesem Jahr bisher kein einziger.

Auch die Personalsituation in den Berliner Gefängnissen entspannt sich langsam: So konnte die Zahl der unbesetzten Stellen von 175 im Jahr 2018 auf 70 reduziert werden. Bis 2021 sollen zudem 30 zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Doch auch mehr Personal kann nicht verhindern, dass immer wieder Drogen ins Gefängnis geschmuggelt werden. »Es ist ein Katz-und-Maus- Spiel, die Gefangenen sind sehr findig im Verstecken«, so Behrendt.

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