Sabotierte Gewerkschaftsarbeit

Urteil gegen Samsung-Manager könnte betrieblicher Interessenvertretung in Südkorea einen Schub geben

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

Lee Sang Hoon, der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Samsung Electronics, ist am Dienstag zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Überraschenderweise verharrt sein Arbeitgeber in Schweigen. Als andere Bosse des südkoreanischen Konzerns in den vergangenen Jahren wegen Korruption oder anderer Gesetzeswidrigkeiten hinter Gitter mussten, ging Samsung in die Offensive - die Verurteilten kamen schnell wieder auf freien Fuß. Diesmal könnte es anders sein.

Lee wie auch mehrere andere Manager von Samsung Electronics standen jetzt vor Gericht, weil sie systematisch ihre Mitarbeiter daran hinderten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Angestellte wurden nicht nur dazu gedrängt, ihr Engagement in den Interessensvertretungen zu beenden, sondern es wurden auch Informationen über die Mitarbeiter gesammelt, um diese gegen sie verwenden zu können. In diese Aktionen, die gewerkschaftliches Engagement in der Belegschaft verhindern oder beenden sollten, waren auch Sicherheitskräfte involviert.

Für den weltweit größten Smartphonehersteller, Flaggschiff des rund 70 Betriebe umfassenden Mischkonzerns Samsung, sind die Richtersprüche eine Blamage. Gegen die Elektroniksparte wurde seit 2013 ermittelt, aber das Prinzip der Unterdrückung von Gewerkschaften reicht deutlich weiter zurück. Seit Jahrzehnten wird in Südkorea das in der Verfassung garantierte Recht verletzt, sich zu versammeln und seine Interessen zu vertreten. Der 1987 verstorbene Samsung-Gründer Lee Byung Chul tönte zu Lebzeiten: Gewerkschaften - »nur über meine Leiche«.

Diese Haltung öffentlich kundzutun, ist in Südkorea nicht zuletzt wegen des Konflikts mit dem kommunistischen Bruderstaat im Norden möglich. Seit dem Koreakrieg 1950-1953 sehen sich weite Bevölkerungsteile im Süden von Nordkorea bedroht. Immer wieder ist dieses Gefühl von konservativen Politikern und Betrieben instrumentalisiert worden, um das Bemühen um Arbeitnehmerrechte gleich als kommunistische Umtriebe zu verunglimpfen.

Mehrmals kam heraus, dass auf den Managementebenen von Samsung-Betrieben schwarze Listen von gewerkschaftlich Aktiven geführt wurden. Ein Mitarbeiter, der bei Samsung kurz nach der Jahrtausendwende eine Arbeitervertretung ins Leben rief, wurde gefeuert und später wegen Protesten sogar verhaftet. Selbst Vorsitzende von Gewerkschaftsbünden wurden inhaftiert. Der internationale Gewerkschaftsbund ITUC gibt Südkorea in einem Ranking die zweitschlechteste Note 5 (»Rechte nicht garantiert«) - damit steht das Land auf einer Stufe mit China, Kasachstan und Saudi-Arabien.

Zu den schlimmsten Praktiken greifen die größten Konzerne, die nur rund zehn Prozent der Arbeitsplätze im Land stellen, durch ihre Marktmacht aber erheblichen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft ausüben. Allein das Samsung-Konglomerat erzielt Erlöse in Höhe eines Fünftels der südkoreanischen Volkswirtschaft.

Eine ITUC-Umfrage im Jahr 2017 ergab, dass sich 86 Prozent der Südkoreaner wünschen, dass Betriebe ihren fairen Anteil zur Gesellschaft leisten. Gut sechs von zehn Befragten finden auch, ihre Regierung habe zu wenig Macht, während fast drei Viertel den Unternehmenssektor für zu mächtig halten.

Tatsächlich sind Versuche von Politikern, den Einfluss der Konzerne einzugrenzen und jenen der Arbeitnehmer zu stärken, nicht weit gekommen. Die konservative Präsidentin Park Geun Hye, Tochter des einstigen Diktators Park Chung Hee, hatte 2012 im Wahlkampf mit »wirtschaftlicher Demokratisierung« geworben, wurde aber vier Jahre später ihres Amtes enthoben, nachdem sie mit mehreren Konzernen in eine Korruptionsaffäre verwickelt war. Der jetzige liberale Präsident Moon Jae In ist bei seinem Projekt, die Strukturen im Land umzugestalten, bisher wenig erfolgreich.

Nun könnten es aber die Richter sein, die einen Wandel anstoßen. Park Sang In, Politikprofessor an der Seoul National University, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die jüngsten Urteile seien ein Anzeichen dafür. Früher habe das Justizsystem immer milde Strafen für verurteilte Unternehmensvertreter ausgesprochen. Sollte es damit vorbei sein, sähen sich Samsung und andere Konzerne gezwungen, ihre Arbeitsbedingungen den internationalen Standards anzupassen.

Wie ernst es die Gerichte mit den obersten Managern der für die koreanische Exportwirtschaft bedeutenden Konzerne wirklich meinen, wird demnächst erneut auf die Probe gestellt. Gegen den Vizeaufsichtsratschef Lee Jae Yong - der Enkel des Samsung-Gründers gilt als der starke Mann in dem Mischkonzern - steht die Neuauflage eines Prozesses wegen Korruption an. Im Februar 2017 wurde er in Haft genommen, eine fünfjährige Gefängnisstrafe wurde später in eine kürzere Bewährungsstrafe umgewandelt.

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