Den märkischen Wanderer entstaubt

Das Fontanejahr geht zu Ende - im 200. Jahr nach seiner Geburt hat es den Literaten auch für junge Leute wieder interessant gemacht

  • Gudrun Janicke
  • Lesedauer: 3 Min.

Neuruppin. Was hat das Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag Theodor Fontanes (1819 - 1898) mit Hunderten Veranstaltungen und Zehntausenden Besuchern gebracht? »Vor allem einen verblüffenden Effekt: dass Leben und Werk Fontanes eine Anziehungskraft besitzen, mit der kaum jemand rechnete«, sagt Roland Berbig, Vorsitzender der Theodor-Fontane-Gesellschaft mit Sitz in Neuruppin. »Der Autor wurde von dem Schulstaub, der ihm anhaftet, befreit und - siehe da: eine lebende, alles anders als preußisch-verkalkte Person trat zum Vorschein.« Das Fontanejahr endet offiziell nach neun Monaten am 30. Dezember, dem Geburtstag des Autors.

»Der Aufwand hat sich definitiv gelohnt. Brandenburg war - und ist - im Fontane-Fieber«, sagt Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Es sei gelungen, Fontane zu entstauben und im Spiegel des 21. Jahrhunderts zu betrachten. Knapp eine Million Besucher seien auf seinen Spuren gewandelt. Neben dem »märkischen Wanderer« konnte auch der für seine Zeit durchaus moderne und »zukunftsneugierige« Autor lebendig gemacht werden. Das Land unterstützte das Jubiläumsjahr mit zwei Millionen Euro, eine weitere kam von der Kulturstiftung des Bundes.

In Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) wurde Theodor Fontane als Sohn eines Apothekers geboren, verlebte dort seine Kindheit und ging aufs Gymnasium. Als er 13 Jahre alt war, zog die Familie nach Berlin. Wie sein Vater wurde Theodor Apotheker. 1839 erschien aber auch seine erste Novelle. So entschied er sich gegen den Apothekerberuf, arbeitete später nur noch als Journalist, Kritiker und Kriegsberichterstatter. Als er fast 70 Jahre alt war erschien sein berühmter Roman »Effi Briest«, der einige Male verfilmt wurde. Weitere Romane folgten. Zuvor veröffentlichte er die »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, die für die Identität der Leute zwischen Elbe und Oder wichtig wurden. Berühmt ist zudem sein Gedicht vom »Herr von Ribbeck im Havelland« und dem Birnbaum in seinem Garten.

»Wer vor dem Autor andächtig niederkniet, verfehlt ihn«, betont Berbig. Wer jedoch seinem vielgefächerten Autorenleben folge, begegne einem Gesprächspartner, der ihm sonst fehlen würde. Ob es auch gelang, den deutschen Romancier des 19. Jahrhunderts international bekannter zu machen, bleibe abzuwarten. Das gewachsene Interesse sei aber spürbar.

Seine beschauliche Geburtsstadt Neuruppin, die sich seit einigen Jahren Fontanestadt nennen darf, freute sich über mehr Interesse. Bürgermeister Jens-Peter Golde will die Besucher auch 2020 weiter »fontanisieren«. Vor allem die große Leitausstellung »fontane.200/Autor« konnte mit 30 000 Besuchern die anfangs erhoffte Zahl von 15 000 weit übertreffen. Dem Publikum gefiel, wie der Schriftsteller von seinem Sockel geholt wurde, so ist im Besucherbuch zu lesen. Seine Worterfindungen führten als Faden durch die Schau: Schuhbürstenbart, Weltverbesserungsleidenschaft und Gemütlichkeitsrangliste.

Fontane nutzte auf seinen Reisen die modernsten Fortbewegungsmittel seiner Zeit. »Heute würde er wahrscheinlich twittern. Ich denke, gerade die modernen Formate hätten ihm viel Spaß gemacht«, so Ministerin Schüle.

Und welches Werk sollte man heute unbedingt noch einmal vom alten Fontane lesen? Der Literaturwissenschaftler Berbig empfiehlt den Roman »Frau Jenny Treibel«. »Das ist eine umwerfende Erzählkomödie, die Geschichte einer sozialen Aufsteigerin, die virtuos Kunst, Geld und Leben vermischt«, sagt er.

Die Kulturministerin sagt, als Märkerin müsste sie eigentlich die »Wanderungen« empfehlen. Als Politikerin finde sie »Effi Briest« aber spannender, weil sich Fontane mit Umbruchsituationen auskannte. »Das macht ihn auch heute noch lesenswert.«

Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin, dort wurde er beigesetzt. Sein Grab findet man auf dem Friedhof der Französischen Gemeinde in der Liesenstraße im heutigen Bezirk Mitte. dpa

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