Circus Maximus im Nahen Osten

Christoph Ruf über die Anziehungskraft der Nahost-Diktaturen für den Spitzenfußball

Am Mittwoch beginnt der spanische Supercup. Valencia, Barcelona und die beiden Vereine aus Madrid spielen dann ein Miniturnier um den Cupsieg aus. Sie tun das, was läge näher, in Saudi-Arabien, wo Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht viel zählen und Hinrichtungen an der Tagesordnung sind.

Eigentlich weiß das jeder. Was die Verantwortlichen in den vier Vereinen. aber noch genauer wissen, ist, dass am Persischen Golf viel Geld bezahlt wird. Am besten hält man bei solch einer Gemengelage den Mund, doch im Fußball wird der jämmerliche Versuch unternommen, das Ganze auch noch moralisch zu rechtfertigen. So begründen die spanischen Klubs die Reise auch mit politischen Gründen. Schließlich habe man erreicht, dass doch tatsächlich auch saudi-arabische Frauen ihr Gekicke vor Ort anschauen können, ohne dafür bestraft zu werden. In separaten Bereichen und auf schlechteren Plätzen zwar - aber immerhin. Bleibt also festzustellen, dass man am Golf anno 2020 zivilisatorisch fast schon so weit ist wie im Alten Rom, als Frauen ebenfalls im Circus Maximus auf den schlechten Plätzen zugucken durften.

Nun braucht man nicht mit dem Finger auf die bösen Spanier zu zeigen, denn die legen bei der Güterabwägung zwischen dem Gesülze, das in ihren Leitbildern und Sonntagsreden steht und den Dollar-Bergen, genau die gleiche Prioritätensetzung an den Tag wie der FC Bayern München, der am Samstag zum zehnten Mal in sein Wintertrainingslager nach Katar geflogen ist. Traditionell verfügen sie wie viele Dutzend andere europäische Fußballvereine über beste Verbindungen zum katarischen Staat. Es geht darum, im immer irrer werdenden Rennen um Millionen und Milliarden ein paar Meter gutzumachen. Das ist so offensichtlich, dass selbst mit Dutzenden von Mitarbeitern besetzte PR-Abteilungen der Vereine das nicht reinwaschen können. Also kommen diejenigen zu Wort, die in Sachen Heuchelei dann doch die größere Routine haben. Und die tun deshalb so, als gehe es letztlich eher um eine Art Dienstreise von Amnesty-international-Aktivisten in Trainingsanzügen: »Der Dialog verbessert Dinge«, hat Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gesagt. »Das Ignorieren und Kritisieren, wie es in unserem Land regelmäßig stattfindet, hilft nicht, eine Situation zu verändern.« Man habe »durch den Fußball« vor Ort vieles verbessert.

Eine bemerkenswerte Logik, nach der auch die deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien als uneigennütziger humanitärer Akt verkauft werden könnten. Schließlich haben die Warlords aus den Scharia-Ländern vor den Milliardengeschäften sicher vorher mit den deutschen Waffendealern Gespräche geführt. Und wer könnte etwas anderes annehmen, als dass dabei tief besorgte westliche Demokraten über etwas anderes geredet hätten als über die Menschenrechtslage vor Ort. Waffenlobbyisten und Fußballfunktionäre machen nachts bekanntlich kein Auge zu, wenn sie wissen, dass außerhalb ihrer Hotels in Doha oder Riad Frauen, Schwule oder Andersgläubige schlecht behandelt werden.

Ehrlicher sind da mal wieder die Fans des FC Bayern, die ja bekanntlich in zwei leider nicht gleich große Teile zerfallen. Den, dessen Lebensmittelpunkt die »Erlebniswelt« an der Allianz-Arena ist und der sich über dreistellige Millionentransfers definiert. Und der in der Kurve, rund um die Ultras und den »Club Nr. 12«, denen ihr Verein mehr bedeutet als sich in Geldranglisten messen ließe.

»Und wieder fliegen mit Kafala Airways die Menschenrechte davon«, haben die Ultras jüngst plakatiert und damit das »Kafala« genannte Bürgschaftssystem thematisiert, das in Katar Arbeitsmigranten zu rechtlosen Leibeigenen macht und dafür sorgt, dass im ersten Halbjahr 2019 über 100 Arbeiter allein aus Nepal dort umgekommen sind.

Für ihr Engagement, das sie seit Jahren aufrecht erhalten, hätten die Bayern-Fans eigentlich einen der vielen Menschenrechtspreise verdient, die im deutschen Fußball so vergeben werden. Bekommen werden sie den natürlich nicht, denn dann würde die komplette Branche ihre Doppelzüngigkeit offenbaren. Allen voran die Fußballverbände, die ja bekanntlich beschlossen haben, dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfindet.

Ich persönlich kenne landauf, landab kaum einen Journalisten, der das im privaten Gespräch nicht scharf kritisieren würde. Wie wäre es eigentlich, wenn die deutschen Medien 2022 mal samt und sonders die WM boykottierten?

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