Bewegungsgeschichte dokumentiert

Unbekannte stellen ein Archiv der 2017 verbotenen Indymedia-linksunten-Webseite mit einer Million Dateien online

Die Artikel der verbotenen Homepage »Indymedia linksunten« sind nach zweieinhalb Jahren für Internetnutzer*innen wieder nachlesbar. Unbekannte haben das Archiv am Donnerstag veröffentlicht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte im August 2017, nach dem G20-Gipfel in Hamburg, eine Verbotsverfügung gegen die linke Medienplattform erlassen. Die Webseite wurde daraufhin von den Betreibern abgeschaltet. Das Verbot ist jedoch noch nicht rechtskräftig, weil die Beschuldigten Klage erhoben haben. Am 29. Januar will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber verhandeln.

Ein anonymer Personenkreis hat nun alle Artikel, die bis zum Verbot erschienen waren, wieder online zugänglich gemacht. Diese Veröffentlichung kann als ein Plädoyer für die Presse- und Meinungsfreiheit verstanden werden, da über diese Themen in der Verhandlung vor dem höchsten deutschen Gericht gesprochen werden wird und die Veröffentlichung in zeitlicher Nähe dazu erfolgt ist. Die Personen schreiben selbst: »Niemand wird unsere Geschichte erzählen, wenn wir es nicht selbst tun. Bewegungen müssen Spuren ihrer Leidenschaft für zukünftige Generationen hinterlassen, denn vergessene Kämpfe sind verlorene Kämpfe.«

Indymedia linksunten war vor dem Verbot die wichtigste deutschsprachige Diskussionsplattform der radikalen Linken im Internet. Seit 2009 existierte das Onlinemedium, auf dem etwa 200.000 Beiträge meist anonym veröffentlicht wurden. Diese Jahre waren eine politisch bewegte Zeit, in der beispielsweise die AfD an Bedeutung gewann und der G20-Gipfel in Hamburg stattfand. Über diese und viele weitere Inhalte wurde auf Indymedia linksunten informiert und gestritten. Etwa 150.000 Kommentare gab es zu den Artikeln, Fotos, Veranstaltungsankündigungen, Presseberichten und sonstigen Dokumenten.

Nun sind diese Diskussionen als statisches Archiv wieder online einsehbar – auch über das anonyme Tor-Netzwerk erreichbar. Neue Beiträge kann man dort jedoch nicht mehr veröffentlichen. Die Webseite umfasst annähernd eine Million Dateien, eine riesige Datenmenge von knapp 100 Gigabyte. Das Archiv steht seit Donnerstag zum Download bereit. Nach dem Herunterladen ist die Webseite auf der eigenen lokalen Festplatte als offline-Archiv im Webbrowser nutzbar und durchsuchbar. Lediglich der komplette Download der Dateien dauert mehrere Stunden.

Unter den nun wiederveröffentlichten Artikeln befinden sich auch diejenigen, die in der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums aufgelistet waren. Dazu gehören beispielsweise Anschlagserklärungen militanter Gruppen, aber auch die dazugehörigen kontroversen Diskussionen, die auf der Internetplattform stattgefunden haben. nd berichtete über ein exemplarisches Beispiel.

Unter den Veröffentlichungen befinden sich zudem viele Debattenbeiträge, Aktionsberichte, Leaks aus internen AfD-Kommunikationen und sogar einige Artikel aus »neues deutschland«, die bei Indymedia linksunten ohne Bezahlschranke dokumentiert wurden. Diese unterschiedlichen Beiträge kann man sich heute nach Erscheinungsdatum, Autor*in, Thema oder Ort sortiert anzeigen lassen. Wählen kann man beispielsweise aus etwa 3500 Orten in aller Welt, die meisten natürlich aus der Bundesrepublik, darunter auch viele Kleinstädte und Dörfer.

Die Veröffentlichung des Indymedia-linksunten-Archivs zeigt, dass es möglich ist, zumindest statische Inhalte trotz Verbot dauerhaft zu verbreiten. Schon in der Vergangenheit wurden inkriminierte Seiten durch Spiegelung (Kopieren) auf andere Webserver hundertfach veröffentlicht und damit staatliche Verbotsbestrebungen torpediert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal