Tesla-Fabrik spaltet Grünheide

Ansiedlung des US-amerikanischen Autokonzerns führte am Wochenende zu Protesten

  • Tim Zülch, Grünheide
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ein trüber Samstagmorgen. Kurz vor elf Uhr stehen etwas verfroren ein knappes Dutzend Menschen auf dem Marktplatz von Grünheide (Oder-Spree). Plötzlich schallt ein schrilles Fiepen aus einem kleinen Lautsprecher. Frank Gersdorf dreht die Lautstärke herunter und erzählt: »Die Lautsprecherbox haben wir erst gestern gekauft. Extra für die Demo heute. Leider haben wir in der Kürze der Zeit nur ein recht schlechtes Mikrofon kriegen können.«

Gersdorf ist Initiator der Bürgerinitiative gegen die Tesla-Ansiedlung in Grünheide. Eine Bürgerinitiative, die erst vor einer Woche gegründet wurde, und die seitdem die vermeintlichen Umweltauswirkungen durch den Bau der »Gigafactory« von Tesla auf einem Gelände südlich von Grünheide scharf kritisiert. Der Initiator schließt den Reißverschluss seiner grünen Fleecejacke, hebt den neuen Lautsprecher auf eine Sitzbank am Rande des Marktplatzes und stellt sich mit Mikrofon und ein paar eng beschriebenen Blättern auch auf die Bank. Schnell ist er auf Betriebstemperatur.

Grünheider Marktplatz voll mit Tesla-Gegnern

»Ich bin überwältigt!«, ruft Frank Gersdorf, »Ich habe den Grünheider Marktplatz noch nie so voll gesehen!«. Der Platz hat sich mittlerweile gefüllt. 300 bis 400 Menschen sind gekommen, um gegen den kalifornischen Autobauer aus den USA zu protestieren. »Tesla gräbt uns das Wasser ab« und »Keine Großfabrik im Wald« steht auf den Schildern, die die Zuhörer*innen in die Luft halten. Die Hauptstadtpresse ist angereist: mehrere Reporter zücken ihre Schreibblöcke, als Gersdorf mit seiner Rede beginnt.

Hauptkritikpunkt ist zum einen die Zerstörung des Waldes, der eigentlich keiner ist. Vor 20 Jahren wollte hier BMW schon mal bauen, seitdem existiert ein Bebauungsplan von damals. Der landete nach dem Rückzug von BMW in der Schublade, der Autokonzern baute in Sachsen, die Bäume auf dem 300 Hektar messenden Gelände wuchsen weiter, wurden aber nie ein »Wald«, weil es sich offiziell um ein Industriegebiet handelt. Diese Situation dürfte schließlich dazu geführt haben, dass das Gelände Tesla recht schnell angeboten werden konnte.

Neben der geplanten Abholzung des Waldes macht Gersdorf vor allem der Wasserverbrauch Sorgen. 3,2 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauche die Fabrik im ersten Bauabschnitt jährlich, zwei mal so viel, wie der Störitzsee fasst, erklärt er. »Wir werden mit Absicht an der Nase herumgeführt«, ist er sich sicher und ruft alle auf, die zwölf Aktenordner zu dem Vorgang im Rathaus einzusehen. »Schaut Euch die Unterlagen an, macht Einwände«, ruft er.

Am Donnerstag gab der Wasserverband Strausberg-Erkner den Kritikern Rückenwind. Er sieht »umfangreiche und schwerwiegende Probleme mit der Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung« bei einer Ansiedlung der Autofabrik. Darauf habe der Verband die Verantwortlichen immer wieder hingewiesen. »Gegenwärtig kann weder die Trinkwasserversorgung noch die Schmutzwasserentsorgung in dem von Tesla gewünschten Zeitrahmen gewährleistet werden«, teilt der Verband weiter mit.

Immer wieder wettert Gersdorf gegen den langjährigen Bürgermeister Grünheides, Arne Christiani (parteilos). »Dafür haben wir nicht vor 30 Jahren gekämpft, um jetzt vor verschlossenen Türen zu stehen«, ruft er und zeigt auf das Rathausgebäude hinter ihm. »Wir wollen mitbestimmen!«

Vereinzelte Unterstützer für Tesla

Als die Kundgebung zu einem kleinen Demonstrationszug durch den Ort aufbricht, postiert sich am Straßenrand ein Grüppchen Menschen, die Schilder für die Tesla-Ansiedlung hochhalten. Zwei zehnjährige Mädchen rufen aus Leibeskräften »Wir sind hier, wir sind laut, weil Tesla uns die Zukunft baut.« Eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift »Elon, ich will ein Auto von Dir!« in die Luft - Elon Musk ist der Tesla-Gründer.

Felix Mühlberg ist Abgeordneter der Piraten im Kreistag. Auch er unterstützt die Tesla-Ansiedlung. »Man muss das als Chance begreifen«, meint er. Zwar sehe auch er Schwierigkeiten, die aber zu meistern seien. Verkehrswege müssten geschaffen werden. Aber »Wasser nach Grünheide zu schaffen ist keine Raketenwissenschaft«, so Mühlberg. Er hält die Proteste gegen Tesla für »zum Teil von der AfD unterwandert«.

»Wir nehmen jeden, der für unser Anliegen ist«, erklärt ein Aktivist der Bürgerinitiative, der nur seinen Vornamen Sven nennen will. Er wisse konkret von einem AfD-Mitglied in seinen Reihen, das sie sich »wie einen rostigen Nagel eingetreten« hätten. Nun müsse er aber los, sagt er, als sich die Demo langsam auflöst. Die Bürgerinitiative hat im Anschluss einen Raum gemietet, um zu klären, wie es weiter geht. »Wir müssen mal festlegen, wer was macht. Wir haben ja noch nicht mal ’ne Webseite«, so Sven. Auch der Name steht noch nicht fest. »Schreiben sie mal BIGG - Bürgerinitiative gegen die Gigafactory in Grünheide«, sagt er im Gehen.

Der Protest dürfte indes weitergehen: Laut einer Erklärung der Brandenburger Staatskanzlei vom Sonntag hat der Vorstand von Tesla dem Kaufvertrag für das Fabrikgelände zugestimmt.

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