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Gefährliche Vorurteile

Rassismusvorwürfe: Schauspieler Azaria will die »Simpsons«-Figur Apu nicht mehr synchronisieren

Die Zeichentrickserie »Die Simpsons« ist eine Persiflage auf die US-amerikanische Mittelstandsgesellschaft und damit wohl das erfolgreichste Produkt des Übersteigerungshumors der späten 1980er Jahre. Vater Homer ist ein übergewichtiger, etwas einfältiger, aber herzensguter Mann, der in einem Atomkraftwerk arbeitet und nach Feierabend regelmäßig in Moes Taverne versackt. Mutter Marge ist Hausfrau und die gute Seele der Familie mit einem Hang zur Spielsucht. Die drei Kinder sind grundverschieden: Sohn Bart der Rowdy, schlecht in der Schule und ständig in Schwierigkeiten; Tochter Lisa die Streberin, hochbegabt und Vegetarierin. Die zweite Tochter Maggie ist noch ein Baby. Auch die anderen Figuren der Serie sind stark überzeichnet - und das sorgt aktuell für eine Kontroverse. Was ist passiert?

Bei den »Simpsons« gibt es einen Charakter namens Apu Nahasapeemapetilon. Er ist ein Einwanderer aus Indien, der praktisch Tag und Nacht an der Kasse seines Supermarktes steht. Apu hat acht Kinder und ist mit Manjula verheiratet, einer Frau, die seine Mutter für ihn ausgesucht hat. Gesprochen wird die Figur im Original von Hank Azaria mit einem übertriebenen südasiatischen Akzent. Diese stereotype Darstellung von Apu hat den Machern der »Simpsons« immer wieder Rassismusvorwürfe eingebracht. 2018 sorgte die Dokumentation »The Problem with Apu« von Hari Kondabolu diesbezüglich für Schlagzeilen. Laut Medienberichten hat Azaria nun die Faxen dicke: Der Schauspieler leiht Apu in Zukunft nicht mehr seine Stimme. Wie und ob es mit der Figur in der Serie weitergeht, ist offen.

Kurz nachdem die Meldung von Azarias Ausstieg die Runde gemacht hatte, kamen sie wieder aus ihren Löchern: die Wutbürger mit oder ohne AfD-Parteibuch, denen jeder Anglizismus ein Frontalangriff auf die deutsche Sprache ist und die in jedem zweiten Facebook-Post oder Twitter-Tweet auf die »Political Correctness« schimpfen. Tenor: Die Serie spiele mit Klischees und Übertreibungen. Diejenigen, die das störe, sollen sich bitteschön nicht so anstellen.

Klar, dass »Bild« sich nicht lange bitten ließ und sich ebenfalls empörte. Schließlich schickt sich das Springer-Blatt an, eine Art Mitteilungsorgan der Pegida-Fans zu werden. Und so schreibt Timo Lokoschat: »Dass weltweit zahlreiche Inder ihren Apu als Helden verehren, über ihn lachen oder mit ihm weinen können, ficht die wenigen, aber besonders lauten Kritiker nicht an.« Anschließend versteift sich der stellvertretende »Bild«-Chefredakteur sogar auf die abstruse These, dass in den USA inzwischen vor allem »die Dauerbeleidigten und Hypersensiblen« den Ton in der politischen Debatte vorgeben. Offenbar hat Lokoschat die politischen Entwicklungen seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump nicht mitgekriegt. Denn wenn einer die Debatten im Land vorgibt, dann ist es der Immobilienmogul aus New York City mit seiner rassistischen Hetze gegen Araber, Latinos und Schwarze.

Lieber Timo, möchte man dem Mann aus der Axel-Springer-Straße zurufen, es ist ein Unterschied, ob sich die Macher der Zeichentrickserie über weiße Privilegierte wie Homer Simpson lustig machen oder ob sie Arbeitsmigranten wie Apu Nahasapeemapetilon aufs Korn nehmen.

Letztere sind in den Vereinigten Staaten nämlich oft zu einem Hungerlohn beschäftigt, dadurch nicht selten von Armut betroffen und müssen sich mit einer Reihe von Vorurteilen rumschlagen. Dass eine populäre Serie wie »Die Simpsons« diese Vorurteile gebetsmühlenartig wiederholt, kann dazu führen, dass sie sich in puren Hass steigern.

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