Das Ende westlicher Dominanz

In der internationalen Politik vollzieht sich ein dramatischer Umbruch. Das zeigt sich am Libyen-Konflikt, meint Peter Wahl

  • Peter Wahl
  • Lesedauer: 4 Min.

An der Berliner Libyen-Konferenz ist eine Menge auszusetzen. Zum Beispiel ist es nicht gelungen, die in dem Konflikt militärisch haushoch überlegene Partei des Generals Haftar zu einer Unterschrift unter einen Waffenstillstand zu bewegen. Es ist nach wie vor unklar, wie ein Stopp militärischer Unterstützung von außen real unterbunden werden kann. Und natürlich war das Ganze eine Prestigeveranstaltung, mit der eine »weltpolitische Rolle Deutschlands« demonstriert werden sollte. Bei der von öligem Nationalstolz nur so geschwellten Brust eines Heiko Maas (SPD) und in den Kommentaren der staatstragenden Medien konnte einem regelrecht mulmig werden. Abgesehen davon, dass es tausend Mal besser ist zu verhandeln, als zu schießen, bietet das Event einen interessanten Ansatzpunkt für linke Außenpolitik. Wieso konnte es überhaupt dazu kommen, dass Berlin bei allen Parteien Akzeptanz als Koordinator der Konferenz fand? Dazu bietet die Vorgeschichte ein interessantes Lehrstück.

So hatte 2011 der UN-Sicherheitsrat die militärische Durchsetzung einer Flugverbotszone in Libyen erlaubt, nachdem es im Zuge des Arabischen Frühlings dort zu Protesten gegen das Regime von Muammar Gaddafi gekommen war. Deutschland war damals nichtständiges Sicherheitsratsmitglied und enthielt sich zusammen mit den ständigen Mitgliedern China und Russland der Stimme. Damit bekam der UNO-Beschluss grünes Licht. Der damalige deutsche Außenminister, Guido Westerwelle (FDP), kam wegen der Enthaltung schwer unter Beschuss. Drückebergerei, deutscher Sonderweg, keine europäische Solidarität, »Wir sind zu groß, um Schweiz zu spielen!« und Ähnliches musste Westerwelle sich anhören.

Frankreich und Großbritannien missbrauchten den UNO-Beschluss prompt für einen Regime Change. Gerechtfertigt wurde ihr Angriffskrieg mit einem regelrechten Furor an Menschenrechtsimperialismus. Nach Slobodan Milošević und Saddam Hussein wurde Gaddafi zum Hitler gemacht. Als Paris und London nach kurzer Zeit die Raketen ausgingen, half ihnen die Administration von US-Präsident Barack Obama aus der Patsche. Mit dem Regime-Change begannen das Chaos und die humanitäre Dauerkatastrophe. Obama hat gegen Ende seiner Präsidentschaft diesen Krieg als größten Fehler seiner Amtszeit bezeichnet. Für Moskau und Peking war die libysche Erfahrung eine Lektion in Sachen Vertrauen in den Westen, die bis heute nachwirkt.

Kurzum: Es war die Enthaltung Westerwelles und der Verzicht, sich nicht am libyschen Desaster zu beteiligen, die den Gipfel in Berlin möglich machten. Das ist, unabhängig davon, wie es mit Libyen weiter geht, eine Erfahrung, an die die Linke mit ihren außenpolitischen Alternativen anknüpfen kann.

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Bekanntlich ist das internationale System in einem dramatischen Umbruch. Stichworte sind unter anderem: Aufstieg Chinas, Comeback Russlands, Brüche in den transatlantischen Beziehungen. Die 500-jährige Epoche der Dominanz Westeuropas und seines US-amerikanischen Ablegers über den Rest der Welt geht zu Ende. Deshalb gibt es massiven Druck, auf die uralten Rezepte Aufrüstung, Militarisierung und Machtpolitik zurückzugreifen. Wenn man die Statements von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht, bekommt man den Eindruck, sie würde lieber heute als morgen mit der Knarre losstürmen - gern mit der Europäischen Union als machtpolitischem Booster und geschichtspolitischem Gütesigel.

Dazu braucht es dringend linke Alternativen. Sie beruhen auf dem Konzept der gemeinsamen und ungeteilten Sicherheit, das auch der jeweils anderen Seite legitime Sicherheitsinteressen nicht abspricht, statt sie mit primitiver Feindbildproduktion zu dämonisieren. Sie setzt auf politische Konfliktlösung und Kooperation statt Konfrontation. Sie engagiert sich für Rüstungskontrolle und Abrüstung und die Demokratisierung des internationalen Systems. So kann Deutschland international Verantwortung übernehmen.

Das ist übrigens auch dringend notwendig, um den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen. Es gibt nämlich eine Schnittmenge zwischen den größten Verschmutzern - China, USA, EU und Russland, die für etwa 60 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes stehen - und den geopolitischen Fronten. Solange dort nur Druck, Hass und Konfrontation herrschen, kann man sich die sozial-ökologische Transition abschminken.

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