nd-aktuell.de / 24.01.2020 / Berlin

SPD beansprucht Klimaschutz für sich

Bei einer Klausur in Nürnberg attackiert der Berliner Fraktionschef Raed Saleh die Grünen

Martin Kröger, Nürnberg

Die sozialdemokratische Welt in Nürnberg ist rosarot. Satte 67,1 Prozent fuhr der Oberbürgermeister-Kandidat Ulrich Maly bei der vergangenen Wahl 2014 ein. Von solchen Traumergebnissen können die Berliner Sozialdemokraten derzeit nur träumen, sie werden in aktuellen Umfragen bei gerade einmal zwischen 15 und 16 Prozent gemessen. Auch um sich politische Anregungen zu holen, reiste die SPD-Fraktion aus dem Abgeordnetenhaus seit Freitag deshalb für drei Tage nach Nürnberg. »Hier scheint die Welt in Ordnung zu sein«, erklärte SPD-Fraktionschef zum Auftakt der SPD-Fraktionsklausur im Le Méridien Grand Hotel Nürnberg. »Mister 67 Prozent«, wie Maly von Saleh genannt wird, war für den Samstag als Gast bei den Berliner Abgeordneten eingeladen.

Doch auch wenn in Berlin die Sozialdemokraten derzeit deutlich hinter den Nürnberger Traumergebnissen liegen, meint der SPD-Fraktionschef, dass die SPD – in der Fraktion, im Senat und in der Partei – in der Hauptstadt im vergangenen Jahr »einiges richtig gemacht« habe. Saleh verweist unter anderem auf die Krankenhausoffensive, die Schnellbauoffensive im Schulbau, Erfolge in der Wissenschaftspolitik wie das Herzzentrum und Verbesserungen in den Arbeitsverhältnissen der landeseigenen Unternehmen. »Sachgrundlose Befristungen gibt es nicht mehr«, so der Fraktionsvorsitzende. »Dank SPD-pur.« Überhaupt sei die SPD ihrer Vision von der »bezahlbaren Stadt« deutlich näher gekommen. Stichwörter sind die Erhöhung des Landesmindestlohns auf 12,50 Euro, die Hauptstadtzulage für die Landesbeschäftigten sowie das kostenlose Schulessen und Schülerticket. »Nee, wir führen keinen Sozialismus ein, was wir einführen ist, die Soziale Marktwirtschaft auszubuchstabieren«, sagte Saleh mit Blick auf den einstigen CDU-Politiker Ludwig Erhard.

Es bleibt bei der Klausur nicht der einzige Verweis auf einen Politiker einer konkurrierenden Partei. Seit vielen Jahren gelten die SPD-Fraktionsklausuren im Abgeordnetenhaus als berüchtigt. »Dass die SPD sich einmal pro Jahr auf einer Klausur schlecht benimmt, das wissen wir doch«, hatte der scheidende LINKE-Abgeordnete Harald Wolf es einmal auf den Punkt gebracht. Und auch Freitag in Nürnberg gibt es Attacken auf einen Koalitionspartner: Im Fokus stehen die in den Umfragen in Berlin stark dastehenden Grünen. »Ich wäre glücklich, wenn Frau Günther ihre Hausaufgaben macht«, kritisiert Saleh. Und endlich umgesetzt werden würde, wofür die Grünen gewählt wurden. Die Spitze richtet sich gegen Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), denen die SPD vorhält, dass sie fordert, dass »die Leute ihr Auto stehenlassen sollen und nicht die U-Bahn zu verlängern«.

Günther bleibt nicht die einzige Senatorin der Ökopartei, die der SPD-Fraktionschef kritisiert. Ihr Fett bekommt auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) ab: »Ich erwarte von Ramona Pop ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Berlin – und zur IAA.« Berlin bewirbt sich derzeit um die Automobilausstellung, die Grünen lehnen die Schau aber in der derzeitigen Form laut eines Parteitagsbeschlusses ab. »Wir müssen raus aus der Bonsailiga«, sagte Saleh, der vor einer »Verzwergung« in der Wirtschaftspolitik warnt.

Die Zielrichtung ist klar: Mit den Angriffen auf die Grünen untermauert der SPD-Fraktionschef die eigenen Ambitionen in Berlin. »Wir haben den Anspruch über 2021 hinaus stärkste Kraft zu werden«, sagt Saleh. Es wird die Zielmarke 30 Prozent genannt. Um sich inhaltlich dazu zu positionieren, soll die Fraktionsklausur ganz im Zeichen des Klimaschutzes stehen. »Wir wollen beim Thema Klimaschutz Tacheles reden«, kündigt Saleh an. Die Grünen kopieren oder der SPD einfach einen grünen Anstrich verleihen, will er aber nicht. Es geht um »realistische Ziele«. Für die Sozialdemokraten geht Klimaschutz nur in Verbindung mit einer sozialen Komponente. »Sozialer Klimaschutz«, zu diesem Thema wurden für den Samstag eine Resolution und zahlreiche neue Vorschläge erwartet.