Ruhm genug für zwei Leben

Mit Kobe Bryant stirbt ein Basketball-Superstar. Der Hunger nach Erfolg prägte ihn bis zuletzt

Brasiliens Fußballstar Neymar jubelte nicht nach seinem Elfmetertor am Sonntag. Er zeigte nur zwei Finger an der einen Hand und vier an der anderen in die Kameras: 24. Tennisspieler Nick Kyrgios spielte sich vor seinem Achtelfinale bei den Australien Open nicht ein wie sonst. Der Australier zog sich diesmal ein lila-goldenes Trikot mit der Nummer Acht über, wobei es ihm schwer fiel, seine Tränen zu unterdrücken. Die 8 und die 24: zwei Trikotnummern, die der Basketballklub Los Angeles Lakers nie mehr vergeben wird. Fans in L.A. und weltweit, darunter auch viele Stars wie Neymar und Kyrgios wissen, für wen sie stehen: Kobe Bryant.

Der Basketball-Superstar starb am Sonntag nahe Los Angeles bei einem Hubschrauberabsturz, der auch eine seiner vier Töchter und alle anderen sieben Insassen das Leben kostete. Trauerbekundungen kamen sofort aus aller Welt: aus Paris, Melbourne oder Peking.

Im Sommer 1996, als es noch unüblich war, eine Ausbildung am College auszuschlagen und direkt von der Highschool in die beste Liga der Welt, die NBA, zu wechseln, wagte Bryant mit 17 Jahren genau diesen Schritt. Die Lakers wollten ihn unbedingt und gaben dafür ihren serbischen Weltmeister Vlade Divas an die Charlotte Hornets ab, die damals die Rechte an Bryant hielten. Der Teenager sollte in den folgenden Jahren das Vertrauen in ihn mehr als zurückzahlen: »20 Jahre lang hat er uns begeistert«, sagte Magic Johnson, eine weitere Lakers-Legende, bei Bryants Verabschiedung vor knapp vier Jahren. »Und er hat uns fünf Meistertitel geschenkt«.

Kobe Bryant spielte nur für die Lakers, wechselte nie den Verein, trotz vieler lukrativer Wechselangebote. Die knapp 330 Millionen Dollar, die ihm die Lakers zahlten, machten das auch nicht wirklich nötig. Schon nach wenigen Jahren - Braynt hatte bis 2002 schon drei Titel gesammelt - wurde er mit seinem Vorbild Michael Jordan verglichen. Wer ist der beste Basketballer aller Zeiten? Bryant, zumindest das steht fest, war der Beste seiner Generation, die der Jordans in den frühen 90er Jahren gefolgt war. Legendär die 81 Punkte, die Bryant am 22. Januar 2006 gegen Toronto erzielte: die zweitbeste Punkteausbeute in einem NBA-Spiel. Nur Wilt Chamberlain hatte 1962 einmal genau 100 geschafft, in einer Ära, in der Basketball noch ganz anders gespielt wurde. Selbst die 81 galten zu Bryants Zeiten eigentlich schon als unerreichbar.

Doch seine Karrierelinie verlief nicht immer aufwärts. Im Sommer 2003 wurde Bryant vorgeworfen, eine Hotelangestellte vergewaltigt zu haben. Er sprach von einvernehmlichem Sex. Ein Strafprozess wurde eingestellt, als das vermeintliche Opfer vor Gericht nicht aussagen wollte. Eine Zivilklage beendete Bryant mit einer außergerichtlichen Einigung, die er zwar mit einer öffentlichen Entschuldigung, aber nicht mit einem Schuldeingeständnis verband. Das Image vom erfolgshungrigen, aber doch stets lächelnden Vorzeigeathleten hatte einen Kratzer bekommen.

Sein wichtigster Sommer war wohl der des Jahres 2008. Der Skandal lag mittlerweile lange genug zurück, um von den Fans vergessen zu werden. Kurz vor den Playoffs wurde Bryant dann erstmals als wertvollster Spieler der NBA ausgezeichnet. Das Meisterschaftsfinale verlor er aber gegen die Boston Celtics. »Man kann auch nicht erwarten, dass es leicht wird, wenn man Historisches schaffen will«, sagte er damals.

Er beschloss also, noch härter an sich zu arbeiten, und begann schon wenige Wochen später damit, als er erstmals fürs US-Nationalteam auflief. Die Olympischen Spiele 2008 in Peking standen an, vier Jahre, nachdem die US-Amerikaner in Athen zum ersten Mal seit 1992 nicht Gold geholt hatten. In Anlehnung ans ursprüngliche »Dream Team« um Jordan wurde das von 2008 »Redeem Team« genannt. Für die Mannschaft, die also »Wiedergutmachung« leisten sollte, meldeten sich endlich wieder alle NBA-Stars, und allen voran ging Kobe Bryant. »Im Trainingslager war er jeden Tag vor sechs Uhr früh als Erster im Kraftraum. Und beim ersten Trainingsspiel rollte der Ball nach 30 Sekunden übers Feld. Kobe stürzte sich drauf, als ginge es schon um Gold«, erinnerte sich der Manager des Nationalteams Jerry Colangelo am Sonntagabend. »Das zeigte allen die Richtung an«, so Colangelo.

Als es schließlich nach China ging, tourte die Mannschaft für Testspiele durchs Land. »Manchmal kam unser Bus erst um zwei Uhr nachts in einer Stadt an. Aber Zehntausende Fans hatten ausgeharrt. Doch die waren nicht da, um das US-Basketballteam zu begrüßen. Die riefen alle nur ›Kobe, Kobe, Kobe!‹ Er hat die Leute berührt, überall auf der Welt«, so Colangelo. »Und irgendwann kam das Finale gegen Spanien. Ohne Kobe hätten wir es wohl nicht gewonnen.«

In den zwei folgenden Jahren gewann Bryant endlich auch in der NBA wieder zwei Titel, jetzt mit der Trikotnummer 24. »Sowohl die ersten Jahre mit der Acht als auch die letzten mit der 24 hätten für sich allein gereicht, um in die Hall of Fame einzuziehen«, begründete Lakers-Eignerin Jeanie Buss, warum sie beide Trikots für immer unters Hallendach des Staple Centers ziehen ließ. Im Sommer 2020, das war schon vor seinem Tod klar, wird Bryant tatsächlich in die Basketball-Ruhmeshalle aufgenommen. Am Sonntagabend entschieden auch die Dallas Mavericks, ihre Nummer 24 nie mehr zu vergeben, obwohl Bryant nie für den Ex-Klub von Dirk Nowitzki gespielt hat. »Er war ein Botschafter unseres Sports«, schrieb Besitzer Mark Cuban. Bryant hatte sich mit einer Stiftung jahrelang für sozial benachteiligte Kinder eingesetzt.

Nach dem zweiten Olympiasieg 2012 wurde es ruhiger um Bryant. Bis zu jenen 60 Punkten, die er mit 37 Jahren in seiner allerletzten Partie im April 2016 erzielte. Als alternder Athlet, der nur noch halb so hoch sprang wie zu seinen besten Zeiten und zudem in einer Mannschaft spielte, die keine Chance mehr auf den Titel hatte, wollte er noch einmal zeigen, wer er war: ein Gewinner. Mit zehn Punkten lagen die Lakers drei Minuten vor Schluss gegen Utah zurück. Im Alleingang drehte Bryant die Partie: 15 Punkte in Serie für einen letzten Sieg, einen letzten großen Jubel in Lila und Gold. Fast vier Jahre später sind es die Farben der Trauer, in denen die Fans in Los Angeles Abschied von ihrem Idol nehmen.

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