nd-aktuell.de / 07.02.2020 / Politik / Seite 2

Anheizer des Hasses

Ex-Geheimdienstchef Maaßen und die rechtskonservative »Werteunion« probierten in Erfurt ihre Macht aus

René Heilig

Purer Hass und unverhohlene Genugtuung sprechen aus dem Tweet, den Hans-Georg Maaßen nach dem Erfurter Rechtsruck-Coup abgelassen hat: »Die Mauermörderpartei, die mehrfach unbenannte SED, die 40 Jahre lang Menschen unterdrückt, eingesperrt, bespitzelt und ermordet hat, stellt in Deutschland keinen Ministerpräsidenten mehr.« Er zitiert aus der Stellungnahme der Thüringer Werteunion. Wider die Wählermeinung im Land versteigen sich die Rechten aus CDU und CSU gar dazu, den bisherigen Linke-Regierungschef Bodo Ramelow als »linksradikal« zu beschimpfen.

Die Finger müssen Maaßen nur so über das Tablet gehüpft sein, als er die Ansicht teilte, dass sich nun »alle Demokraten in unserem Land freuen« sollten. Maaßen, Frontmann der Werteunion und als Ex-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Klandestinen erfahren, wägt genau ab, wann er was wem wo und wie sagt. Er ist ein intellektueller Strippenzieher, einer, der ohne zu direkte Berührung mit dem Nazipöbel, per Stichwort Denkrichtungen vorgibt. Als »nüchterner Realist«, wie er behauptet, »der sich große Sorgen um die Zukunft Europas macht«.

Doch nach der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich konnte er sich nicht halten. Das sei »ein Riesenerfolg«, sagte er dem »Tagesspiegel« (Donnerstagausgabe) und holt sich - völlig zurecht - ein großes Stück vom Gratulationskuchen. Schließlich habe er »in Thüringen die Wende unterstützt.« So bescheiden erlebt man den Mann selten. Aber in der Sache ist ihm nur eines wichtig: »Hauptsache, die Sozialisten sind weg.« Der einst für den Schutz von Demokratie und Rechtsstaat zuständige Ex-Geheimdienstpräsident, der wegen Verharmlosung der Gefahr von rechts nicht im Spitzenamt zu halten war, bestätigt die AfD in ihrer Rolle als »Königsmacherin«, nennt deren Taktik »klug«. Weil sie seinem Hirn entsprungen ist?

Es ist schon erstaunlich, wie ungeniert - und vor allem von seinem Dienstherrn, der Bundesrepublik Deutschland, ungehindert - Maaßen seinen einstweiligen Ruhestand nutzt, um gegen den Rechtsstaat zu operieren und Brücken zwischen Teilen der Union und der AfD zu schlagen. Ein eher schüchterner Versuch von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Maaßen aus der CDU zu drängen, endete vergangenen Sommer kläglich. Dies ist auch ein Hinweis darauf, wie mächtig diejenigen sind, die hinter ihm stehen.

Wer indes in Maaßen eine Art Machiavelli sieht, der raffiniert und ohne Moral die eigene Macht ausbauen will, tut ihm wohl unrecht. Es geht ihm schon ums »Abendland«. Bei dessen »Verteidigung« kann er sich auf ein europaweites Netzwerk stützen. So hetzte er in Ungarn gegen alle, die sich nicht gegen den »Einwanderungsdruck« stemmen.

Nach der Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos nahm er korrupte Führer der rechten FPÖ Österreichs in Schutz. Maaßen bekämpft vehement die öffentlich-rechtlichen Medien - und liebt Blätter wie die »Neue Zürcher Zeitung« (NZZ), weil sie seinen erzkonservativen Kurs tragen. Nach dem Parlamentsputsch in Erfurt war am Donnerstag in der NZZ zu lesen, es gebe »keinen Grund, die Wahl von Thüringen moralisch zu verurteilen«. Die deutsche Demokratie sei nicht beschädigt. Dass sich der FDP-Kandidat von der AfD wählen ließ, sei »kein Makel«.

Wie ehedem erweist sich der Hass auf Linke als Bindeglied zwischen Konservativen und extrem Rechten. Und Maaßen als Anheizer. Bereits im Juni vergangenen Jahres sagte Maaßen dem Deutschlandfunk, er halte eine Koalition seiner CDU mit der AfD in Ostdeutschland für denkbar: »Ich glaube, in der jetzigen Situation werden wir es auch ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt, aber man weiß nie.«

Als er jüngst innerhalb der WerteUnion als Ministerpräsident gehandelt wurde, wollte die AfD Nägel mit Köpfen machen und Maaßen als Kandidaten nominieren. Der jedoch lehnte ab. Offenbar will sich der gediegene Rechtsanwalt öffentlich nicht zu sehr mit den Höcke-Faschisten gemein machen. Lieber versucht er, seine CDU mittelfristig weiter nach rechts zu drängen. Vorerst will er nur, »dass die CDU in Thüringen begreift, dass sie mehr auf ihre Wähler hören muss«. Also besser gleich auf ihn.