Steuererklärung: Gute Chancen auf Rückerstattung durch künftige Rechtsprechung

Plus 31 Prozent: Solche Wachstumsraten sind im Anlagedepot gern gesehen. Doch das stattliche Wachstum im Jahre 2006 gegenüber 2005, das die deutschen Finanzämter in Sachen Einsprüchen verbuchen, ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Denn innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Einsprüche gegen Steuerbescheide von 4,5 auf 5,9 Millionen. Einer der Gründe: Immer mehr Bürger sind sich der Chancen bewusst, die ihnen ein Einspruch eröffnet. Beispielsweise können sie von gerichtlichen Klagen profitieren, die andere Steuerzahler in der gleichen oder in einer ähnlich strittigen Frage führen. Der Weg ist einfach, kostenlos und sicher: In dem Einspruch berufen sich die Betroffenen auf ein laufendes Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH), dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sobald das Urteil gefällt ist, profitieren auch sie automatisch. Besonders für Kapitalanleger macht es in diesem Jahr Sinn, diesen Einspruchsweg zu gehen, denn es gibt gute Chancen, dass Steuerbescheide - nicht nur die für 2006, sondern alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide - nachgebessert werden. Konkret: Anleger können sich also durchaus Hoffnung auf eine Gutschrift des Finanzamts machen. Hier die wichtigsten derzeit anhängigen Verfahren: - Alle Anleger, deren Zertifikat nur deshalb als steuerungünstige Finanzinnovation eingestuft wurde, weil der Emittent eine zumindest teilweise Rückzahlung des Vermögens garantiert hat, können auf einen Klageerfolg eines anderen Anlegers setzen. Dann würden nicht automatisch alle Kursgewinne als Kapitalertrag versteuert, sondern sie wären nach zwölf Monaten steuerfrei (BFH, Aktenzeichen: VIII R 53/05). - Verfallen Optionsscheine (Kauf- oder Verkaufsoptionen) innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist wertlos, sollten Anleger ihre Verluste in der Steuererklärung angeben, mit anderen Kapitalerträgen verrechnen und - die störrischen Finanzämter - notfalls im Einspruch auf die ausstehende BFH-Entscheidung verweisen (Aktenzeichen IX R 11/06). - Eine böse steuerliche Überraschung erleben grundsätzlich alle Investmentfonds-Anleger, die ihr Geld Fonds anvertrauten, die nicht die rechtlichen Voraussetzungen für einen Vertrieb in Deutschland erfüllen. Bei diesen so genannten intransparenten Fonds kassiert der Fiskus besonders üppig mit. Selbst wenn eine negative Performance zu Buche steht, gehen zehn Prozent des Rückkaufwerts als Abgabe an den Staat. Ob diese harte Haltung gerechtfertigt ist, entscheidet der BFH (Aktenzeichen VIII R 2/06). - Auch wer bei der Geldanlage wenig Glück hatte und auf ein Schneeballsystem hereingefallen ist, kann auf ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof hoffen. Da geht es nämlich darum, ob Einnahmen bereits versteuert werden müssen, wenn sie nur auf dem von den Betrügern geführten Gutschriftenkonto verbucht wurden. Viele geprellte Anleger hatten von diesem Profit gar nichts, weil das Geld gleich wieder investiert wurde. Beim Auffliegen des Schneeballsystems war meist das ganze Geld verloren, trotzdem gibt es Steuerforderungen (BFH, Aktenzeichen: VIII R 36/04). - Wer Spekulationsgewinne versteuern muss, weil sie über der jährlichen Freigrenze von 512 Euro liegen, kann darauf setzen, dass die gesamte Besteuerung der Kursgewinne für verfassungswidrig erklärt wird. Darüber wird in nächster Zeit das Bundesverfassungsgericht entscheiden (Aktenzeichen 2 BvR 294/06). Die Chancen stehen bestenfalls fifty-fifty. Einerseits hat dasselbe Gericht diese Besteuerung für die Jahre 1997 und 1998 schon für verfassungswidrig erklärt, weil auf Grund von Erhebungsdefiziten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt gewesen sei. Andererseits vertreten Gerichte auch immer wieder die Auffassung, das habe sich ab dem Jahr 1999 geändert. - Sogar vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wird eine Frage, die Anleger geschlossener Fonds interessieren muss. Es geht darum, ob Auslandsverluste aus geschlossenen Fonds als negativer Progressionsvorbehalt verrechnet werden dürfen, damit diese Verluste nicht unter den Tisch fallen (Aktenzeichen: C-415/06). Keine Einsprüche einlegen müssen Geldanleger bei strittigen Fällen, die Finanzämter im Steuerbescheid automatisch mit einem sogenannten Vorläufigkeitsvermerk versehen haben. Dieser sorgt dafür, dass die Betroffenen auch dann von einem positiven Urteil profitieren, wenn sie selbst keinen Einspruch einlegen. Hier der wichtigste Vorläufigkeitsvermerk: Alle Anleger, deren Zins- und Dividendeneinkünfte im Jahr 2006 über dem damals geltenden Sparerfreibetrag von 1350 Euro pro Person lagen, können darauf hoffen, dass die Kürzung des Freibetrags im Jahr 2004 - bis dahin lag er noch bei 1500 Euro - rechtswidrig zustande gekommen ist. Ob bei einer nächtlichen Sitzung des Vermittlungsausschusses das vorgeschriebene parlamentarische Verfahren eingehalten wurde, prüft das Bun...

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