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Parität braucht Zeit

Das Gesetz für mehr Frauensitze im Berliner Abgeordnetenhaus lässt auf sich warten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Zeitplan wird kaum einzuhalten sein. Wie bereits Brandenburg und Thüringen wollte auch Berlin schon längst ein Paritätsgesetz verabschieden. Einen ersten Entwurf für ein solches Gesetz, um die Anzahl der Sitze für Frauen im Berliner Abgeordnetenhaus zu erhöhen und damit die Teilhabe von Frauen im Parlament zu stärken, hat die Linksfraktion bereits im vergangenen Jahr zum Frauenkampftag am 8. März vorgelegt. Seinerzeit hatte die Berliner Grünen-Abgeordnete Anja Kofbinger auch das ambitionierte Ziel ausgegeben, dass dem Land Berlin bis zum Sommer 2019 ein »verfassungsgemäßes Gesetz« vorliegen werde. Doch bis heute gibt es diesen gemeinsamen Entwurf der rot-rot-grünen Koalition in der Hauptstadt nicht.

»Wir sind ungeduldig, weil wir inhaltlich vorgelegt haben«, sagt die Linken-Abgeordnete Anne Helm zu »nd«. Damit das Gesetz noch bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 wirksam wird, müssten sich die Abgeordneten allerdings sehr sputen. »Meine Einschätzung ist, dass, um ein Gesetz umzusetzen, was für die kommende Wahl wirksam wird, es bis Juli dieses Jahres vorliegen müsste«, sagt Helm. Angesichts der parlamentarischen Abläufe, die immer Zeit brauchen, etwa, weil ein Gesetz meistens in mehreren Lesungen im Plenum bearbeitet wird, bedeutet das: Das Zeitfenster für ein Berliner Paritätsgesetz noch in dieser Legislatur hat sich schon fast geschlossen.

Bewegung in der rot-rot-grünen Koalition gibt es nun kurz vor dem diesjährigen 8. März bei den Grünen. »Um den Anteil von Frauen im Parlament auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen, haben wir als Grünenfraktion Eckpunkte für ein Paritätsgesetz beschlossen«, sagt die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel. Kernpunkte des Papiers sind: Das Berliner Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen müssen in Zukunft »mindestens zur Hälfte mit Frauen*« besetzt sein. Bei der Quotierung soll berücksichtigt werden, dass sich »viele Berliner*innen nicht einem binären Geschlecht zuordnen« lassen. Das Sternchen bedeutet also, dass auch diverse Kandidat*innen berücksichtigt werden sollen. Also jene Menschen, die sich weder als Frau oder Mann definieren wollen. Die Grünen verweisen darauf, dass in ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus bereits jetzt 60 Prozent der »Funktionär*innen« Frauen sind. Fraktionschefin Gebel betont: »Wir Grüne machen seit unserer Gründung vor, wie Frauenförderung aussieht.«

Dass die Grünen einen Spielraum für eine Überquotierung im Paritätsgesetz vorsehen, wird bei der Linken unterdessen kritisch bewertet. »Eine Bevorzugung von Frauen im Sinne einer möglichen Überquotierung ist für uns rechtlich schwierig«, sagt Anne Helm. Der Vorschlag der Linken sieht dagegen eine Geschlechterparität vor.

Die juristischen Auswirkungen müssen die Koalitionsfraktionen des Mitte-links-Bündnisses vor allem deshalb berücksichtigen, weil eine Änderung des Berliner Wahlgesetzes wahrscheinlich rechtlich angefochten wird. Zwar beinhaltet die Berliner Verfassung im Abschnitt zu den Grundrechten den Gleichstellungsauftrag: »Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt.« Aber in Brandenburg beispielsweise wurde das dortige Paritätsgesetz bereits beklagt. Der Ausgang dieser Verfahren ist auch für Berlin wichtig.

Wie die SPD sich in Berlin zum Paritätsgesetz verhalten will, steht noch nicht fest. In der Linksfraktion heißt es, dass die SPD bis Mai eine eigene Position dazu erarbeiten will. Sehr umstritten bei den Sozialdemokraten dürfte der Vorstoß der Grünenfraktion sein, die Möglichkeit einer Kandidat*innen-Aufstellung nach einer Bezirksliste zur Wahl des Abgeordnetenhauses abzuschaffen. Die SPD stellt nämlich ihre Kandidat*innen bisher über zwölf einzelne Bezirkslisten auf und nicht über eine einheitliche Landesliste, die vergleichsweise einfach quotiert werden könnte. Auch die Frage, ob und wie die Kandidaturen in den jeweiligen Wahlkreisen quotiert werden können, ist in der Koalition noch nicht abschließend geklärt.

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