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Kurzarbeitergeld soll vor Jobverlust schützen

Bundesregierung einigt sich auf Maßnahmen, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie abzufedern

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Es kommt nicht oft vor, dass SPD und FDP mit einer Stimme sprechen. Doch nach dem Koalitionsausschuss von Sonntagnacht waren sich der sozialdemokratische Koalitionspartner der Union sowie die oppositionellen Freien Demokraten auf einmal sehr nahe. Sie meinen, dass der Staat wegen der Corona-Krise viele Bürger entlasten sollte. Die Union hatte in der nächtlichen Sitzung die Forderung der SPD abgelehnt, die geplanten Änderungen beim Solidaritätszuschlag früher als geplant umzusetzen.

Dies sei ein »Armutszeugnis für CDU/CSU, die gern mit der Entlastung der ›Mitte‹ prahlen«, schrieb der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Koalitionspartner der Sozialdemokraten hätten eine vorgezogene Abschaffung des Soli für 90 Prozent und damit fünf Milliarden Euro mehr Kaufkraft 2020 »schroff abgelehnt«.

FDP-Fraktionsvize Christian Dürr attestierte dem SPD-Vorsitzenden. Er sagte der Nachrichtenagentur AFP: »Die Union macht sich beim Soli lächerlich.« Wenn nun sogar die SPD Entlastungen fordere, »sollte dem nichts mehr im Weg stehen«. Die Freien Demokraten wollen, dass der Soli schnell für alle Bürger abgeschafft wird. Diese Maßnahme würde vor allem den Spitzenverdienern zugutekommen. Geringverdiener zahlen hingegen keinen Soli oder nur einen geringen Betrag. Die von der SPD geforderte vorgezogene Teilabschaffung wäre »wenigstens eine erste sinnvolle Maßnahme«, sagte Dürr.

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder erklärte hingegen: »In der jetzigen Situation mit der unklaren Entwicklung der Coronavirus-Krise haben wir keinen Spielraum für finanzielle Experimente.« Die Union wolle den Soliabbau - »aber keinen halben wie die SPD, sondern für alle«, so der bayerische Ministerpräsident im Gespräch mit der dpa.

Allerdings einigte sich die Große Koalition auf einige Maßnahmen, um auf die Ausbreitung des Coronavirus und die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie vorbereitet zu sein. Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld sollen Jobs sichern und strauchelnden Unternehmen helfen. Neu ist, dass beim Kurzarbeitergeld die Sozialversicherungsbeiträge künftig vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet werden sollen. Dies hatten zuletzt vor allem Unternehmerverbände gefordert.

Außerdem soll Kurzarbeit künftig bereits dann möglich sein, wenn zehn Prozent der Belegschaft eines Unternehmens von einem Arbeitsausfall betroffen sind. Die Schwelle lag bislang bei mindestens einem Drittel. Auch Leiharbeitnehmer werden nach den Plänen der schwarz-roten Koalition künftig Kurzarbeitergeld beziehen können.

Union und SPD wollen die Investitionen ausweiten und hoffen, somit das Wirtschaftswachstum ankurbeln zu können. In der Finanzplanung von 2021 bis 2024 werden die Investitionen des Bundes um jeweils rund drei Milliarden Euro erhöht. Dies ermögliche »neue Prioritäten« in Höhe von insgesamt 12,4 Milliarden Euro, hieß es vonseiten der Bundesregierung.

Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte am Montag ein baldiges Gespräch der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaften an. Dabei wird die Bundesregierung Vorschläge für Liquiditätshilfen für Unternehmen unterbreiten, die besonders von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen sind.

Die neuen Regelungen beim Kurzarbeitergeld wurden von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaftern und einigen Ökonomen positiv aufgenommen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ging davon aus, dass die Betriebe mit der erweiterten Kurzarbeit flexibel reagieren sowie Entlassungen vermeiden könnten. »Die neuen Regeln werden hoffentlich schnell in den Betrieben ankommen und insbesondere auch kleineren Betrieben helfen«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Auch Linksfraktionsvize Fabio De Masi sagte, dass es gut sei, wenn das Kurzarbeitergeld gestärkt und die Liquidität von Unternehmen gesichert werde. »Sinnvoller als die Abschreibung von digitalen Wirtschaftsgütern zu erleichtern, wäre es jedoch, wieder eine degressive Abschreibung von Investitionen zu ermöglichen«, sagte De Masi. Er ging davon aus, dass die Bundesrepublik nicht gut auf den Notfall vorbereitet sei. »Die Bundesregierung will die Schuldenbremse nicht einmal aussetzen, um Kommunen am Limit zu helfen. Die Investitionen der Länder in Krankenhäuser sind ebenso unzureichend«, kritisierte der Linke-Politiker.

Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, an der rund 10 000 Betriebe teilnahmen, rechnen 47 Prozent der deutschen Unternehmen in diesem Jahr mit einem Umsatzeinbruch wegen der Folgen des Coronavirus. In mehr als jedem vierten Betrieb liegen die erwarteten Umsatzeinbrüche demnach bei mehr als zehn Prozent. Insbesondere das Gastgewerbe, die Reisebranche und Messebetriebe befürchten sogar Umsatzrückgänge von mehr als 75 Prozent.

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