Was hat es mit der 9/10-Regel auf sich?

Günstig krankenversichert im Alter: die Krankenversicherung der Rentner (KVdR)

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Schnitt haben bundesdeutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sechs Versicherungsverträge abgeschlossen und geben dafür mehr als 2000 Euro im Jahr aus. Dazu kommt dann noch die Kranken- und Pflegeversicherung. Doch viele sind trotzdem unzureichend oder sogar falsch abgesichert.

Während mancher die großen Risiken wie die Berufsunfähigkeit vernachlässigt, lassen sich andere von aktuellen Ereignissen im Umfeld zu impulsiven und teuren Vertragsabschlüssen verleiten. Von Krankheit und Pflegefall über Unfälle und Berufsunfähigkeit bis hin zu Prozesskosten - es gibt viele Gefahren, vor denen man sich wenigstens finanziell schützen kann.

Was »wirklich« sinnvoll ist oder nicht, ändert sich im Laufe der Lebensphasen. Die Bedürfnisse einer jungen Familie mit zwei Kindern sind nun einmal anders, als die eines Singles, der seine erste Wohnung bezieht.

Die Krankenversicherung im Alter - ein heikles Kapitel

Spätestens in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens sollten sich vor allem privat Versicherte überlegen, wo sie im Alter versichert sein wollen. Dahinter steht, dass die private Krankenversicherung mit zunehmendem Alter im Trend teurer wird. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind dagegen die Beiträge unabhängig vom Alter des Versicherten. Allerdings gibt es auch erhebliche Nachteile für freiwillig Versicherte in den gesetzlichen Kassen.

Bundesweit genießen hoffentlich rund 17 Millionen Menschen ihren Ruhestand. Grundsätzlich gilt für sie der Leitsatz: »Im Ruhestand sind Sie kranken- und pflegeversichert wie im bisherigen Erwerbsleben.« Bis auf Krankengeld erhalten Rentner weiterhin die gewohnten Leistungen. Auch als Rentner zahlen sie hierfür allerdings Beiträge an ihre Krankenkasse oder an die private Krankenversicherung.

Grundsätzlich gibt es auch im Ruhestand mehrere Möglichkeiten, wie jemand krankenversichert ist. Der Regelfall ist die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der »Krankenversicherung der Rentner« (KVdR). Bei der KVdR handelt es sich um einen Status: Versichert bleiben Sie bei ihrer jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse! Die Beiträge belaufen sich auf 7,3 Prozent der gesetzlichen Rente plus einen möglichen Zuschlag von zurzeit rund 0,5 Prozent. Dazu kommt ein Beitrag für die Pflegeversicherung und für Kinderlose.

Die »Krankenversicherung der Rentner« ist meist die günstigste Absicherung für Ruheständler. Privat versicherte und auch freiwillig gesetzlich Krankenversicherte (also beispielsweise ehemals privat Versicherte) können nicht der KVdR angehören. Sie schneiden darum nach Einschätzung von Verbraucherschützern häufig schlechter ab, etwa wenn sie eine Riester-Rente beziehen.

Wechselprobleme

Die Zahl der freiwillig gesetzlich versicherten Rentner beträgt immerhin ein halbe Million. Allerdings ist deren Wechsel in die gesetzliche Pflichtversicherung im Alter unter bestimmten Bedingungen durchaus möglich. Dafür gibt es eine sogenannte 9/10-Regelung: Sie besagt, dass nur Rentner in der KVdR versichert sein können, die in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens zu 90 Prozent (also 9/10) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Die »zweite Hälfte des Erwerbslebens« bezeichnen Fachleute als »Vorversicherungszeit«.

Das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) aus dem Jahr 2017 ist bislang kaum bekannt. Durch das Gesetz wurde allerdings eine Hintertür für Menschen geschaffen, die gerne in die KVdR wechseln möchten. Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz ermöglicht nämlich etlichen freiwillig Versicherten in die preiswertere Pflichtversicherung zu wechseln, wenn sie Kinder haben.

Zwar gilt auch hier die 9/10-Regelung - aber pro Kind gibt es gewissermaßen einen Zuschlag. Für jedes Kind werden dem Versicherten drei Jahre Vorversicherungszeit angerechnet, für jedes Elternteil und egal, wann das Kind geboren worden ist.

Tipp: Von sich aus kommt die Krankenkasse aber nicht auf die Idee, das nun für Sie zu überprüfen. Freiwillig gesetzlich Versicherte Ruheständler sollten darum einen Antrag bei ihrer Kasse auf eine Neuberechnung der Vorversicherungszeit stellen.

Grundsätzlich schlechter sieht es für privat Versicherte aus. Sie zahlen im Alter oft vergleichsweise hohe Beiträge. Eine Rückkehr aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ist nur in Ausnahmefällen während der Berufstätigkeit möglich. Wer älter als 55 Jahre ist, hat kaum noch eine Chance für den Wechsel.

Aufgrund des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz aus dem Jahr 2017 können aber auch manche privat Versicherten die Vorversicherungszeit neu berechnen lassen. Unter Umständen können auch sie dann in die günstigere »Krankenversicherung der Rentner« wechseln.

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