Fast nackt in die Zelle

Gericht: Polizei behandelte Datteln-4-Gegner zu hart

In der Nacht vom 1. zum 2. Februar wurden drei Mitglieder des »Instituts für Theologie und Politik« aus Münster im Umfeld des Kohlekraftwerks Datteln 4 von der Polizei in Gewahrsam genommen. Zur »Gefahrenabwehr«, wie es im Polizeideutsch hieß. Die Behörden hatten zuvor erfahren, dass das Anti-Kohle-Bündnis »Ende Gelände« für den nächsten Tag eine Aktion auf dem Kraftwerksgelände plante, und waren mit großem Aufgebot erschienen. Die Aktion der Klimaaktivisten konnten sie nicht verhindern.

Anders als die Aktivisten von »Ende Gelände« wurden die Mitglieder des »Instituts für Theologie und Politik« von der Polizei kontrolliert und in Gewahrsam genommen. Bei der Durchsuchung mussten sich die zwei Männer und eine Frau komplett ausziehen. Die Nacht verbrachten sie, nur mit Unterhosen bekleidet, in Zellen des Polizeipräsidiums Recklinghausen. Am Morgen wurden sie entlassen, ihnen wurde ein Aufenthalts- und Betretungsverbot um das Kohlekraftwerk Datteln 4 erteilt.

Das Verbot wurde mittlerweile vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen kassiert. Aufenthalts- und Betretungsverbote seien nur zulässig, wenn »Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende in dem Bereich Straftaten begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird«. Solche Tatsachen habe die Polizei nicht benennen können. Politische Nähe zu »Ende Gelände« sei so wenig ausreichend wie ein nicht näher dargelegtes »Auffälligwerden« bei anderen Aktionen.

Über die Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme wollte sich die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grüne-Abgeordneten Verena Schäffer nicht äußern, da noch ein weiteres Verfahren laufe. Wozu das Innenministerium allerdings Stellung bezog, ist die Entkleidung der drei Festgenommenen. Diese sei zwar »grundsätzlich zulässig«, würde im konkreten Fall allerdings als »kritisch« betrachtet und sei nicht ausreichend begründet. Gleiches gelte dafür, dass die Menschen die Nacht fast nackt in der Zelle verbringen mussten. Das Polizeipräsidium Recklinghausen kündigte an, die Abläufe im Gewahrsam zu überprüfen. Man wolle künftig Wechselkleidung bereithalten.

Die Theologin Julia Lis war einer der drei Betroffenen. Sie »begrüßt«, dass sich die Landesregierung von der Polizeimaßnahme »distanziert« habe. Allerdings kritisiert sie generell, dass Menschen in Gewahrsam entkleidet werden, wenn dafür keine ausreichenden Gründe vorliegen. Deswegen falle »die Bewertung des polizeilichen Handelns durch die Landesregierung bei Weitem zu milde« aus, meint Lis. Auch Gründe für die »Präventivhaft« seien noch immer nicht erklärt worden. Lis betrachtet den gesamten Polizeieinsatz als »Verstoß gegen Grundrechte«, gegen den das »Institut für Theologie und Politik« weiter juristisch vorgehe. Ihr Kollege Benedikt Kern findet es wichtig, dass politisch darauf »gedrängt« werde, dass eine solche »Einschüchterung der Klimabewegung und solidarischer Beobachtung des Protestes gegen Datteln 4« nicht mehr stattfindet. Kern ist aber auch optimistisch. Solch »skandalöses Vorgehen« habe soziale Bewegungen in der Vergangenheit in der Regel gestärkt und nicht eingeschüchtert. Das zeigten die Forschungen des Instituts.

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