Teilweise irre Mietbelastungen

Fast jeder zehnte Einpersonenhaushalt zahlt mehr als die Hälfte seines Einkommens für die Wohnung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahlen sind beunruhigend. 9,1 Prozent aller Single-Haushalte müssen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete inklusive Betriebskosten ausgeben. Heizung und Strom sind dabei noch nicht eingerechnet. Fast 55 Prozent der Alleinlebenden geben 30 Prozent oder mehr des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes für ihre Wohnung aus. Als weitere Gruppe müssen Alleinerziehende mit ähnlichen Wohnkostenbelastungen klarkommen, bei ihnen liegt die Quote bei 46,5 Prozent. Durchschnittlich gibt ein Berliner Haushalt 28,2 Prozent seines Einkommens für die Bruttokaltmiete aus.

Die sich auf das Jahr 2018 beziehenden Werte sind Teil des aktuellen Wohnungsmarktberichts, in dem die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) jährlich die Situation in der Hauptstadt darlegt. Die Zahlen und Schlussfolgerungen wirken bei ihrer Vorstellung am Mittwoch angesichts der Coronakrise etwas aus der Zeit gefallen. Was diese für die Situation auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt bedeuten wird, nennt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) die »Eine-Million-Euro-Frage«, bei deren Beantwortung sie passen muss.

Klar sei, dass die »Ausnahmesituation« auch am Bereich Bauen und Wohnen nicht spurlos vorbeigehen werde. »Uns ist bewusst, dass wir überlegen müssen, wie wir für Mieterinnen und Mieter und auch für Vermieter weitere Angebote machen können«, so Lompscher. Angesichts der teilweise sehr hohen Wohnkostenbelastungen ist absehbar, dass vielen Haushalten die nun von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Stundung von bis zu drei Monatsmieten bis Mitte 2022 zwar kurzfristig vor dem Verlust der Wohnung schützt, sie aber auch in zwei Jahren nicht über das Geld verfügen werden, um die aufgelaufenen Mietschulden auszugleichen.

Abgesehen von der aktuellen Krise haben sich die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt - bezahlbarer Neubau und die Begrenzung der Mieten im Bestand - allerdings nicht geändert. Für Letzteres soll der im Februar in Kraft getretene Mietendeckel sorgen. Vertreter der Immobilienlobby attestieren seit Wochen angesichts zurückgehender Angebotszahlen in Internetportalen in der Folge einen Eigentümerstreik. Diese würden nun eher verkaufen als zu vermieten. »Wir haben im Datenbestand wenig Hinweise gefunden, dass es sich schon auswirkt«, sagt dazu Arnt von Bodelschwingh vom Beratungsinstitut Regiokontext, das den Wohnungsmarktbericht im Auftrag der IBB erstellt. Für Analysen jenseits von Einzelbeobachtungen sei es noch zu früh.

Obwohl der Neubau anzieht - 2018 wurden in Berlin 16 707 Wohnungen fertiggestellt - fehlten derzeit etwa 145 000 Wohnungen in der Hauptstadt, sagt der IBB-Vorstandsvorsitzende Jürgen Allerkamp. Doch weil auch der Zuzug abnimmt, sei man »gut für den Abbau des Mangels gerüstet«, erklärt Lompscher. Zumindest so lange der Neubau nicht unter rund 17 000 Wohnungen falle. Die auf 2019 reichlich 22 500 Wohnungen weiter zurückgehenden Baugenehmigungszahlen sind angesichts eines Überhangs von rund 65 000 genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten oder im Bau befindlichen Wohneinheiten noch nicht problematisch. Hauptgrund für den Stau sind mangelnde Kapazitäten in der Bauwirtschaft.

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