»Ein Wissenschaftler ist kein Politiker«

Christian Drosten kritisiert den Umgang der Medien mit Wissenschaftlern in der Coronakrise

  • Mascha Malburg
  • Lesedauer: 2 Min.

Noch vor wenigen Wochen kannte man den Leiter der Virologie der Berliner Charité nur in Fachkreisen. Doch in der Coronakrise ist Christian Drosten zur medial allgegenwärtigen Stimme der Wissenschaft geworden. Er sitzt in Talkshows, spricht auf Pressekonferenzen als Berater der Bundesregierung und informiert täglich im eigenen Podcast beim NDR. Dort kritisierte er am Montag den Umgang vieler Medien mit Wissenschaftlern in Zeiten der Pandemie.

Er sei wütend über Medien, die Wissenschaftler für ein Bild missbrauchen um zu kontrastieren, sagte Drosten am Montag in dem NDR-Podcast. Wissenschaftler würden überzeichnet, in Konkurrenz zueinander dargestellt und ihnen würden »Dinge angehängt, die so nicht stimmen.« Am Wochenende habe er eine E-Mail erhalten, in der er für den Selbstmord des hessischen Finanzministers persönlich verantwortlich gemacht wurde, erzählte Drosten. »Wenn solche Dinge passieren, dann ist das für mich schon ein Signal dafür, dass wir über eine Grenze von Vernunft schon lange hinaus sind in dieser mediengeführten öffentlichen Debatte.« In den vergangenen Wochen hatte der Virologe auf seinem Twitter-Account immer wieder Medienberichte kommentiert, in denen er seiner Ansicht nach verkürzt zitiert oder zugespitzt dargestellt wurde.

Als besonders problematisch bezeichnete Drosten es, dass Forscher als Entscheidungsträger dargestellt würden. »Ein Wissenschaftler ist kein Politiker«, so Drosten. Kein Wissenschaftler wolle Dinge sagen wie: »Diese politische Entscheidung, die war richtig oder falsch.« Wenn das nicht aufhöre, müsse »die Wissenschaft in geordneter Weise den Rückzug antreten.« Er habe bereits in der vergangenen Woche vermieden, Interviews zu geben oder sich im Fernsehen zu zeigen.

Der Virologe verwies auf die Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 27. März. Darin heißt es, die aktuell zu klärenden Fragen dürften nicht an einzelne Personen oder Institutionen delegiert werden. Stattdessen müsste »die Vielfalt gesellschaftlicher und namentlich wissenschaftlicher Stimmen« gehört werden und Entscheidungen von Organen getroffen werden, die in politischer Verantwortung stehen. Die Corona-Krise sei nicht die »Stunde der Exekutive«, sondern der demokratisch legitimierten Politik.

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