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Pro Asyl: Deutschland chartert Abschiebeflieger für Einzelne +++ BAG Wohnungslosenhilfe legt Zehn-Punkte-Programm zur Unterstützung für Obdachlose in Krise vor

Der Newsblog zur Coronakrise - Freitag, 03.04.2020

  • Lesedauer: 10 Min.

16.40 Uhr: Pro Asyl: Deutschland chartert Abschiebeflieger für Einzelne
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beklagt, dass Einzelpersonen in der Corona-Krise per Charterflugzeug abgeschoben würden. »Ganze Länder befinden sich seit Wochen im Stillstand. Obwohl es klar sein müsste, dass eine Abschiebung derzeit nicht in Frage kommt, werden trotzdem Menschen in Haft gebracht«, kritisierte die Leiterin der Abteilung Rechtspolitik bei Pro Asyl, Bellinda Bartolucci, am Freitag. »Es braucht endlich einen generellen Abschiebestopp, um die Ängste und die Verunsicherung der Betroffenen zu beenden und die Anwaltschaft und Behörden in diesen Zeiten nicht noch mehr in Anspruch nehmen zu müssen.« Menschen dürften nicht in Länder mit schwachem Gesundheitssystem abgeschoben werden, forderte die Organisation.

Die Frage, ob grundsätzlich Abschiebeflüge auch für Einzelpersonen oder kleine Gruppen von bis zu fünf Menschen gechartert würden, beantwortete die Bundespolizei der Deutschen Presse-Agentur am Freitag zunächst nicht.

Das Bundesinnenministerium erklärte, dass es wegen des Coronavirus derzeit zu Einschränkungen kommen könne, weil viele Staaten die Einreise ausländischer Bürger beschränkten. Auf Bitten der Regierung Afghanistans sind Rückführungen aus Deutschland dorthin momentan ausgesetzt. Es gibt in Deutschland aber keinen generellen Abschiebestopp.

Nach Angaben von Pro Asyl soll Mitte April eine einzelne Frau vom Münchener Flughafen aus in das westafrikanische Togo abgeschoben werden. Da es keine regulären Flüge mehr gebe, solle ein Flugzeug allein für die Frau gechartert werden. Bundesinnenministerium und Bundespolizei äußern sich im Vorfeld nicht zu möglicherweise bevorstehenden Abschiebungen.

16.20 Uhr: BAG Wohnungslosenhilfe legt Zehn-Punkte-Programm zur Unterstützung für Obdachlose in Krise vor
Mehr Unterstützung für Obdachlose hat die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe für die Zeit der Corona-Krise gefordert. Sie legte am Freitag in Berlin ein Zehn-Punkte-Programm vor, in dem unter anderem gefordert wird, zur Vermeidung von Ansteckungen die Belegungsdichte in Notunterkünften zu verringern. Zudem müssten dort abgetrennte Einheiten für Quarantänefälle eingerichtet werden. Weiter fordert die BAG, Aufenthaltsmöglichkeiten mit sanitären Einrichtungen und Anlagen zur Handhygiene auch während des Tages offenzuhalten. Zudem solle die medizinische Versorgung einschließlich der Möglichkeit zu Corona-Tests gesichert werden. Besonders gefährdeten Gruppen, etwa wohnungslosen Frauen oder Familien, sollten abgeschlossene Wohneinheiten zur Verfügung stehen.

Zwangsräumungen sollten während der Corona-Krise nicht stattfinden, verlangte die Wohnungslosenhilfe weiter. Junge Menschen sollten bei Erreichen der Volljährigkeit dennoch in Einrichtungen der Jugendhilfe bleiben können. Sozialleistungen sollten monatlich und nicht in Tagessätzen gezahlt werden. Hilfseinrichtungen müssten als kritische Infrastruktur anerkannt werden. Die BAG Wohnungslosenhilfe weist darauf hin, dass Obdachlose durch die Corona-Pandemie besonderen Gefährdungen ausgesetzt seien. So seien sie in Notunterkünften weiterhin meistens in Mehrbettzimmern untergebracht, für stationäre Einrichtungen gelte in mehreren Bundesländern wegen des Infektionsschutzes ein Aufnahmestopp.

Zugleich mussten Tagestreffs und Beratungsstellen schließen oder ihre Angebote zurückfahren. Telefonische oder Online-Beratungen seien für Obdachlose aber oft nicht erreichbar, diese seien auf persönliche Betreuung angewiesen. Zugleich seien Einnahmequellen wie Betteln, der Verkauf von Straßenzeitungen oder das Sammeln von Pfandflaschen »im leergefegten öffentlichen Raum kaum mehr möglich«.

15.55 Uhr: Polizei stellt nach Aufruf zu Corona-Party Einsatz in Rechnung
Nach dem Verhindern einer Corona-Party will die Karlsruher Polizei dem Veranstalter ihren Einsatz in Rechnung stellen. Der 29-Jährige hatte über einen Messengerdienst zu einem sogenannten Corona-Rave auf einem Skaterplatz in Karlsruhe aufgerufen, wie die Polizei am Freitag mitteilte. 20 Menschen sagten demnach zu. Daraufhin überwachte die Polizei den Ort mit mehreren Beamten. Zwar seien mehrere Menschen festgestellt worden, eine Feier habe aber verhindert werden können.

Der Polizeieinsatz könnte nun teuer für den 29-Jährigen werden: Das Polizeipräsidium Karlsruhe will den Einsatz in Rechnung stellen. Dabei dürfte es sich um mehrere hundert Euro handeln. Nach eigenen Angaben erhofft sich die Polizei auch einen Abschreckungseffekt durch die Maßnahme. Die Rechnung hat laut Polizei jedoch nichts mit dem baden-württembergischen Bußgeldkatalog zu tun, in dem Geldstrafen für Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen aufgeführt sind.

15.30 Uhr: Google veröffentlicht Bewegungsdaten seiner Nutzer
Der US-Internetgigant Google veröffentlicht im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie Bewegungsdaten seiner Nutzer. Eine Auswertung der Daten aus 131 Ländern ist seit Freitag online verfügbar, teilte der Konzern mit. Dies solle es Regierungen weltweit ermöglichen, die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Vermeidung sozialer Kontakte zu überprüfen. Die Statistiken zeigen laut Google, in welchem Maß die Menschen Besuche in Parks, Geschäften, Häusern oder Fahrten zum Arbeitsplätze eingeschränkt haben. Dazu werden laut Google »aggregierte und anonymisierte« Daten von Nutzern verwendet, die der Speicherung ihrer Standortinformationen zugestimmt haben. Rückschlüsse auf das Bewegungsprofil einzelner Nutzer sollen laut Google nicht möglich sein. Diagramme sollen aber zeigen, wie die Menschen aufgrund der Pandemie insgesamt ihr Verhalten geändert haben.

Dabei wird die prozentuale Veränderung angezeigt, nicht aber die Gesamtzahl der Besuche. In Deutschland wurde demnach für Besuche in Restaurants, Cafés, Einkaufszentren, Museen und Kinos ein Rückgang um 77 Prozent gegenüber dem üblichen Niveau verzeichnet. In Supermärkten, Drogerien und Apotheken erhöhte sich der Andrang laut der Statistik zwischenzeitlich, bis Ende März flaute er dann um 51 Prozent ab. Bei öffentlichen Parks und Gärten waren die Ausschläge noch größer. Mitte März nahmen die Besuche deutlich zu, am Monatsende gingen sie dann um 49 Prozent zurück. Auch öffentliche Verkehrsmittel werden laut der Statistik deutlich weniger genutzt. Stattdessen bleiben die Menschen offenbar häufiger zu Hause, für Wohnungen und Häuser weisen die Bewegungsdaten eine Zunahme von elf Prozent aus. Die Google-Daten sind auch nach einzelnen Regionen aufgeschlüsselt, für Deutschland können Statistiken für jedes Bundesland eingesehen werden.

12.45 Uhr: Giffey: Mehr Anrufe beim Hilfetelefon für Familien
Viele Familien sind durch die Corona-Krise besonders belastet und suchen deshalb verstärkt telefonische Beratung. »Wir stellen fest, dass es bei dem Hilfetelefon 'Nummer gegen Kummer' einen Anstieg der Anrufe um mehr als 20 Prozent gibt«, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) am Freitag zu »Zeit Online«. »Es rufen sowohl mehr Kinder als auch mehr Eltern an.«

Das vom Familienministerium geförderte Hilfstelefon ist das größte kostenfreie telefonische Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern in Deutschland. Giffey schloss nicht aus, dass die Notbetreuung für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, auch für Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen geöffnet werden könnte.

»Ob es eine Notbetreuung für all diese Kinder geben sollte, hängt vor allem davon ab, wie lange der Ausnahmezustand noch dauert« sagte Giffey. Derzeit rechne man mit einer Schließzeit von fünf Wochen. Das entspreche in etwa den Sommerferien und sei noch vertretbar. »Danach muss die Lage neu bewertet werden.«

10:50 Uhr Gut 18.500 Corona-Infektionen und 220 Tote in NRW
Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen in Nordrhein-Westfalen ist am Freitag auf 18.534 gestiegen. Demnach erhöhte sich die Zahl von Donnerstag auf Freitag (10.00 Uhr) um 1280 Fälle, wie das NRW-Gesundheitsministerium am Freitag mitteilte. Während der Anstieg der Fallzahlen von Sonntag bis Mittwoch noch unter der Tausender-Marke blieb, lag er seitdem konstant bei über Tausend Fällen pro Tag. Die Zahl der Toten erhöhte sich um 23 auf nun 220.

Im besonders betroffenen Kreis Heinsberg waren am Freitag (10.00 Uhr) 1406 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Einen Tag zuvor waren es noch 1377 - ein Anstieg von 29. Zudem zählte das Ministerium 40 Todesfälle im Zusammenhang mit Corona in Heinsberg. Am Mittwoch waren es 39.

Das NRW-Gesundheitsministerium führt eigenen Angaben nach bisher keine Statistik über genesene Corona-Patienten. Am Wochenende veröffentlicht das Gesundheitsministerium einmal am Tag um 11.30 Uhr die Fallzahlen und werktags zweimal - jeweils morgens und nachmittags. dpa/nd

10:08 Uhr: EU-Kommission gibt grünes Licht für Corona-Kreditnotprogramme der Bundesländer - Auch landeseigene Förderbanken dürfen Sonderdarlehen für Unternehmen vergeben

Berlin. Auch die Förderbanken der Bundesländer können im Kampf gegen die ökonomischen Folgen der Coronakrise jetzt spezielle Niedrigzinsdarlehen nach dem Vorbild der bundeseigenen KfW vergeben. Das teilte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag in Berlin mit. Demnach genehmigte die EU-Kommission in Brüssel die Regelung am Donnerstagabend und machte damit den Weg für die sofortige Umsetzung entsprechender Kreditprogramme im Zuge der Nothilfe frei.

»Neben dem KfW-Sonderprogramm 2020 ist das ein weiterer wichtiger Baustein, um den Unternehmen einen schnellen Zugang zu mehr Liquidität zu ermöglichen«, erklärte Altmaier. Er freue sich darüber, dass die EU-Kommission die Regelung so schnell gebilligt habe. Die Zustimmung der Kommission war nötig, weil sie in der EU das letzte Wort bei Fragen rund um die staatliche Stützung von Unternehmen hat. Das soll unfairen Protektionismus verhindern.

Die Kreditlinien zu Sonderkonditionen sind ein Baustein in dem in den vergangenen Wochen aufgespannten Stabilisierungsschirm für Firmen, die durch die Auswirkungen der Corona-Krise in finanzielle Probleme geraten. Derzeit stehen auch in Deutschland weite Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft still. Die KfW startete auf Bundesebene ein Sonderprogramm, über das Unternehmen nun sehr zinsgünstige Kredite zu Sonderkonditionen erhalten können.

Die Förderbanken der Länder wollen ergänzend ähnliche Programme auflegen, um plötzlich in Not geratenen Firmen dringend nötige Investitionen und Betriebsmittel zu bezahlen. Daneben haben Bund und Länder diverse weitere Hilfen für Betriebe gestartet - darunter auch einmalige Sofortzuschüsse, die auch nach der Corona-Krise nicht zurückgezahlt werden müssen. AFP/nd

09.30 Uhr: Trump-Konzern bittet Deutsche Bank um Aufschub von Kreditraten
Die Familienholding von US-Präsident Donald Trump will wegen der Corona-Krise laut einem Bericht einen Aufschub von Kreditzahlungen erreichen. Die Trump Organization, in der Trumps Geschäftsimperium gebündelt ist, habe die Deutsche Bank Ende März kontaktiert, um über eine verlängerte Frist für fällige Raten zu verhandeln, meldete die »New York Times« am Donnerstag. »In diesen Tagen arbeiten alle zusammen. Mieter mit Vermietern, Vermieter mit Banken«, erklärte Trumps Sohn Eric auf AFP-Anfrage. »Die ganze Welt arbeitet zusammen im Kampf gegen diese Pandemie.«

Die Trump Organization, die seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten von dessen Söhnen Eric und Donald Jr. geleitet wird, schuldet der Deutschen Bank laut »New York Times« noch hunderte Millionen Dollar. Die Coronavirus-Krise beschert auch dem Hotel-Imperium der Trump-Familie herbe Einbußen. Wegen der Pandemie ist der Betrieb in einer Reihe von Trump-Anlagen gestoppt oder zumindest stark eingeschränkt worden. Wegen der Corona-Krise bat die Trump Organization laut »New York Times« auch die Behörden in Palm Beach County im US-Bundesstaat Florida, die Pachtzahlungen für das Gelände des Trump International Golf Clubs aussetzen zu können. Bei den Verhandlungen konnte der Konzern demnach aber bislang keine Zugeständnisse erreichen.

Arbeitsminister fordert Überprüfung des Gesundheitssystems nach Überwinden der Krise - Heil : Einige Krankenhäuser wurden kaputtgespart

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat für die Zeit nach der Corona-Krise eine Überprüfung des deutschen Gesundheitssystems gefordert. »Wir müssen einfach darauf reagieren, dass Gesundheit kein rein marktwirtschaftliches Gut sein kann«, sagte Heil der »Rheinischen Post« vom Freitag. Über die Trägerstruktur von Krankenhäusern müsse in den Kommunen entschieden werden. Grundsätzlich gelte aber, dass es eine staatliche Gewährleistungsverantwortung gebe.

Heil verlangte, der öffentliche Bereich müsse gestärkt werden. »Einige Krankenhäuser sind kaputtgespart worden.« Es müsse darüber gesprochen werden, »ob wir nicht dauerhaft mehr für Gesundheit und Pflege ausgeben müssen«. Die Gesellschaft müsse auch begreifen, dass Pfleger und auch Verkäuferinnen - die »jetzigen Helden des Alltags« - besser bezahlt werden müssten.

Für die Hochphase der Corona-Krise lehnte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Heil eine Diskussion über den Vorstoß von Parteichefin Saskia Esken zu einer Vermögensabgabe für Reiche ab. »Jetzt geht es erst mal darum, die Schutzpakete umzusetzen, die wir gerade erst beschlossen haben.« Über den Lastenausgleich werde nach der Krise zu reden sein. Auch hier sei Solidarität gefragt. Denn es werde hohe wirtschaftliche Verluste geben, Unternehmen würden Gewinn- und Umsatzeinbrüche, Beschäftigte Lohneinbußen und der Staat weniger Ressourcen haben, warnte Heil.

Agenturen/nd

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