Videokonferenzen mit nachhaltigem Effekt

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Angela Köppl über die Rolle der Klimapolitik bei den anstehenden Konjunkturprogrammen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Corona-Shutdown führt dazu, dass weniger gereist wird. Der Ölpreis ist auf einem historischen Tiefstand. Die CO2-Emissionen sind massiv gesunken. Schützen uns die Maßnahmen also nicht nur vor dem Virus, sondern auch vor dem Klimawandel?

Mit solchen Prognosen sollte man sehr vorsichtig sein.

Im Interview

Angela Köppl ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien. Sie forscht dort vor allem zu Fragen des Klimawandels. Mit ihr sprach Simon Poelchau über die Folgen der Coronakrise auf den Klimawandel und die Herausforderungen für die Zeit danach.

Warum?

Für den Klimawandel ist es nicht entscheidend, ob über einige Monate etwas weniger CO2 ausgestoßen wird. Entscheidend ist die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre. Und die wird nur nachhaltig beeinflusst, wenn es auch zu einer nachhaltigen Reduzierung der Emissionen kommt.

Daran glauben Sie nicht?

Natürlich weiß derzeit keiner, wie sehr die Coronakrise unsere Produktionsweisen und Lebensstile letztlich verändern wird. Es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, dass man nach der Covid-19-Krise versucht, möglichst schnell wieder zur alten Normalität zurückzukehren. Ähnliches konnte man auch im Rahmen der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 beobachten.

Welche Auswirkungen hatte damals die Wirtschaftskrise auf die Emissionen?

Die Krise traf vor allem den produzierenden Sektor, während derzeit von Anfang an auch der Dienstleistungssektor, Tourismus und Einzelhandel betroffen sind. 2009 fielen die Treibhausgasemissionen im produzierenden Gewerbe zum Beispiel in Österreich deshalb um 13,7 Prozent, im Verkehr um 2,9 Prozent und in der Energieversorgung um 7,4 Prozent. Doch bereits 2010 waren die Emissionswerte wieder ungefähr auf Vorkrisenniveau. Dabei ist Österreich kein Einzelfall. In den anderen EU-Ländern konnte man ähnliche Entwicklungen feststellen.

Woran lag dies?

Es lag unter anderem an der Wirtschaftspolitik. Die damaligen Konjunkturprogramme waren hauptsächlich darauf ausgerichtet, die Wirtschaft wieder möglichst schnell hochzufahren. Klimapolitik spielte nur eine sehr untergeordnete Rolle.

In Deutschland war eine solche Maßnahme die Abwrackprämie für alte Autos. Auch jetzt fordert die Autolobby wieder Kaufprämien ...

Natürlich muss man bei Konjunkturprogrammen vor allem auf Aspekte wie Beschäftigung und soziale Absicherung achten. Aber die Abwrackprämie ist ein Beispiel dafür, wie letztlich alte Strukturen gestärkt werden. Gerade der Verkehrsbereich war und ist immer noch mit hohen Emissionen verbunden. Daher müsste es gerade im Bereich der Mobilität aus klimapolitischer Sicht um Strukturänderungen gehen.

Wie müssten diese aussehen?

Wir müssen uns unabhängiger vom motorisierten Individualverkehr machen. Bei einem emissionsarmen Mobilitätssystem geht es nicht um den Wechsel vom Verbrennungs- hin zum Elektromotor oder um andere alternative Antriebe. Es geht um eine grundsätzliche Veränderung des Systems. Also weg vom Individual- hin zum öffentlichen Verkehr.

Was wären dafür geeignete Maßnahmen?

Gerade im ländlichen Raum ist man auf sein Auto angewiesen. Weil dort der klassische Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nicht funktioniert, muss man neue, kleinteiligere, sogenannte Mikro-ÖPNV-Lösungen finden. Es braucht dort flexiblere Mobilitätsdienste als den klassischen Linienbus oder die Regionalbahn, damit jede einzelne Person erreicht wird, die jetzt noch ihr eigenes Auto braucht. Und das geht nicht nur mit privaten Unternehmen, sondern braucht auch die öffentliche Hand. Das könnten neue Geschäftsmodelle sein, die private Unternehmen bei der Bereitstellung von nachfrageorientierten und flexiblen öffentlichen Verkehrsdienstleistungen miteinbeziehen.

Die Coronakrise hat auch dazu geführt, dass viele Konferenzen jetzt virtuell über das Internet stattfinden. Könnte dies nicht eine nachhaltige Entwicklung sein und zu weniger Dienstreisen sowie zumindest in diesem Bereich zu weniger Emissionen führen?

Schon vor der Coronakrise haben wir in unseren Studien auf das Potenzial von Videokonferenzen aufmerksam gemacht, um den Bedarf an physischer Mobilität durch digitale Mobilität zum Teil zu ersetzen, damit nicht so viel für einzelne Meetings zwischen den Städten hin- und hergejettet wird. Die derzeitigen Erfahrungen mit Videokonferenzen könnten auch dazu führen, dass genauer auf Kosten für Dienstreisen geschaut wird und weiterhin virtuelle Konferenzen gemacht werden, statt nach Corona gleich wieder zum alten Muster zurückzukehren und das nächste Flugticket zu buchen. Das wäre zumindest ein kleiner nachhaltiger Effekt.

Doch auch diesbezüglich muss man abwarten, inwiefern die Coronakrise zu einem wirklichen Umdenken führt. Es wäre wünschenswert, denn gerade der Flugverkehr hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, was zu einem starken Emissionsanstieg in diesem Bereich führte.

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