Mit dem Virus spielen

Vollkontaktsport in der Coronakrise: Die Deutsche Fußball Liga und ihre 36 Profivereine haben einen Plan

Mit guter Laune in schlechten Zeiten lud die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Vertreter der 36 Vereine aus der ersten und zweiten Bundesliga am Donnerstag zu einer weiteren virtuellen Mitgliederversammlung. »Die Äußerungen einiger Ministerpräsidenten, aber auch der Sportminister-Konferenz mit Blick auf einen Wiederbeginn ohne Stadionzuschauer im Mai sind gute Nachrichten für den Profifußball«, schrieb das DFL-Präsidium zwei Tage zuvor.

Um für den Profifußball eine Sonderrolle ermöglichen und rechtfertigen zu können, forderte die Politik ein tragbares Krisenkonzept. Deshalb wurde das am Donnerstag auch vorrangig beraten. Grundlage war ein 41-seitiger Maßnahmenkatalog, der sichere Abläufe bei Bundesligaspielen und den täglichen Trainingseinheiten inmitten der Corona-Pandemie gewährleisten soll. Erarbeitet hatte ihn die »Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb«. Deren Leiter, Tim Meyer, beschrieb das Ergebnis der Arbeit auf der ebenfalls virtuellen Pressekonferenz am Donnerstag als »vertretbares medizinisches Risiko«. Als ärztlicher Direktor des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes sollte seine Expertise belastbar sein.

Zuerst und am häufigsten sprach aber Christian Seifert. Das Konzept biete ein »bestmögliches Maß an Sicherheit«, lobte der DFL-Chef zu Beginn, wechselte dann aber sofort das Thema. »Mit einer Ausnahme haben wir mit allen Medienpartnern Vereinbarungen erzielen können.« Schon im Mai gäbe es die ersten Zahlungen an die Klubs. Damit wurde das von der DFL und vielen ihrer Klubs selbstentworfene Untergangsszenario recht schnell abgewendet. Die Sorge um möglicherweise ausbleibendes Fernsehgeld ist durchaus berechtigt: Denn einige Vereine aus der ersten und zweiten Liga sollen genau dieses Geld schon ausgegeben haben - und müssen es bald an Banken oder andere Kreditgeber zurückzahlen. Beim FC Schalke beispielsweise soll es sich dabei um 15 Millionen Euro handeln. Insgesamt erwarten die DFL-Klubs noch rund 300 Millionen Euro.

Dafür muss die Saison aber zu Ende gespielt werden. Die Entscheidung, ob diese Spielzeit wieder angepfiffen wird, und wenn ja, wann, »das entscheiden einzig und allein die politischen Verantwortungsträger«, betonte Seifert mehrmals. Mit dem vorgestellten Konzept sieht sich der Profifußball immerhin gut vorbereitet. »Es steht auf drei Säulen«, erläuterte Tim Meyer. Das sind eine flächendeckende und ständige Infektionsüberwachung, strenge Hygienevorschriften für Trainings- und Spielstätten und ein engmaschiges Netz aus regelmäßigen Coronatests. Dabei gehen die DFL-Verantwortlichen von 40 Personen pro Verein aus.

»Nicht mehr als 20 000 Tests« seien bis zum Saisonende nötig, meint Meyer. Christian Seifert warb für Akzeptanz: »Das sind gerade mal 0,4 Prozent des gesamten Aufkommens in Deutschland.« Zugleich kündigte der DFL-Chef einen Solidarfonds des Profifußballs an, der 500 000 Euro für eine Erweiterung der gesamtgesellschaftlichen Testkapazitäten spendet.

Bei genauerer Betrachtung der DFL-Maßnahmen werden bei den millionenschweren Profis wohl Erinnerungen an ihre Anfangszeit wach: Verschwitzt und verdreckt nach Hause - weil erst dort nach Training oder Spiel geduscht werden soll. Ihre Fußballschuhe müssen sie jetzt auch selbst putzen, und Zuhause Hygiene-Hausaufgaben erledigen. In jedem Vereinen soll ein Hygiene-Beauftragter die Einhaltung der Regeln überwachen. Und für die Spieltage wurde festgelegt, dass »maximal 300 Personen« auf dem Stadiongelände sein dürfen, fast zahlengleich verteilt auf drei Zonen: Innenraum, Außenbereich sowie Tribünen und Funktionsräume.

Das ist ein immenser Aufwand. Kritik daran, an der dennoch bleibenden Infektionsgefahr bei diesem Vollkontaktsport, an einer generellen Sonderbehandlung des Profifußballs und der teilweise selbstverschuldeten Existenzkrise gab es zuletzt reichlich. Das ist dessen Vertretern sehr wohl bewusst. Und so gelobte das Präsidium der DFL reichlich Besserung: »Es ist an allen Entscheidungsträgern, auch Selbstkritik zu üben mit Blick auf Fehlentwicklungen in den vergangenen Jahren. Es steht außer Frage, dass künftig Nachhaltigkeit, Stabilität und Bodenständigkeit zu den entscheidenden Werten gehören müssen. Diese Werte gilt es nach Überwindung der akuten Krise in konkrete Maßnahmen umzusetzen.«

Wer kann da schon widersprechen. Aber: Noch ist nichts sicher. Selbst das die Bundesregierung in Coronafragen beratende Robert-Koch-Institut kritisiert die Pläne des Profifußballs. Dennoch deutet vieles daraufhin, dass bald wieder Bundesligafußball gespielt wird. Am 30. April berät sich Kanzlerin Angela Merkel erneut mit den Ministerpräsidenten. Danach könnte offiziell bestätigt werden, was viele vermuten: Spielen mit dem Virus.

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