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Bundesregierung lenkt bei Diskussion um Überwachung ein

Kanzleramtsminister will eine dezentrale Speicherlösung einführen / Deutscher Landkreistag fordert mehr Überwachung

In der Diskussion um die Entwicklung einer Corona-Warn-App ist die Bundesregierung auf dezentralisierte Speicherung der Nutzerdaten eingeschwenkt. Das bestätigten Kanzleramtschef Helge Braun und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) am Sonntag in Berlin. Zuvor hatten das ARD-Hauptstadtstudio und die »Welt am Sonntag« darüber berichtet. Der möglichst flächendeckende Einsatz einer Warn-App könnte die Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten erleichtern - auch weil dann gezielter Kontaktpersonen getestet würden.

In den vergangenen Wochen stießen die Pläne rund um eine App zur Kontaktverfolgung auf den Widerstand von Datenschützern und IT-Experten. Der im Rahmen des PEPP-PT-Projektes entwickelte Standard war in seiner Gestaltung weitgehend abgelehnt worden, da eine zentrale Erfassung und Speicherung von Nutzerdaten eine Überwachung und Rückverfolgung von Kontakten ermöglicht hätte. Befürworter und Entwickler der zentralen Lösung betonten den Zusatznutzen ihres Modells und gaben an, mit der zentralen Lösung die Pandemie besser erforschen zu können. Die Beteiligung von Big-Data-Firmen, die mit dem sammeln und verknüpfen von Daten ihr Hauptgeschäft ausbauen könnten, legte jedoch einen langfristigen Missbrauch und die zweckentfremdete Nutzung der Daten nahe.

Rund 300 Datenschutzexpert*innen aus 25 Ländern hatten sich in einem Protest gegen das zentrale Modell ausgesprochen. Mehrere netzpolitische Organisationen hatten zuletzt in einem offenen Protestbrief von der zentralen Umsetzung abgeraten. Darunter war auch der Chaos Computer Club CCC, der schon seit längerem in einem Positionspapier dargelegt hatte, unter welchen Bedingungen einen App datensparsam und mit möglichst wenigen Eingriffen in Grundrechte umgesetzt werden könnte. Eine erste App des Robert Koch-Instituts, bei der Daten von Fitnessarmbändern und -sensoren gespendet werden sollten, musste nach Analysen des CCC bereits nachgebessert werden.

Die Frage der Apps dürfte das Corona-Kabinett auch weiterhin beschäftigen. Entscheidend für den freiwilligen Einsatz einer App sind die Maßnahmen, die mit dieser App verknüpft werden. Sollte eine freiwillige Corona-App künftig neben der Kontaktverfolgung, wie in China oder Südkorea, zugleich Eintrittserlaubnis in Bereiche des öffentlichen Lebens werden, dann wäre eine Freiwilligkeit de facto unterlaufen. Entscheidungen darüber sind derzeit noch nicht getroffen.

Fraglich ist auch, wie das von der Bundesregierung nun in Aussicht gestellte Modell bei Ländern und Kommunen akzeptiert werden wird. Nach einem Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« hatte der Deutsche Landkreistag weitergehende Datenerfassungen von der Bundesregierung und eine Mitbeteiligung an der Entwicklung einer App gefordert. Genannt waren Städte wie München und Düsseldorf, die Daten automatisiert weiterleiten wollen oder auch den Zwang zur Installation der App fordern. Positionsdaten und der Zeitpunkt des Kontaktes sollten zur Rückverfolgung der Infektionskette an Gesundheitsämter übermittelt werden. Mit Agenturen

ndPodcast zu Corona-Apps
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