»Die hässliche Fratze des Kapitalismus«

DAX-Konzerne wollen trotz Krise höhere Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es wird nicht gekleckert, sondern geklotzt«, hat Finanzminister Olaf Scholz versprochen. Und der Sozialdemokrat hält Wort: Staatliche Zuschüsse, Hilfskredite für Unternehmen und Bürgschaften summieren sich inzwischen auf über 1,5 Billionen Euro. Kritik kann da nicht ausbleiben und schon regt sich auch Widerstand, sogar in den Reihen der Regierungsparteien. Konzerne dürften nicht einerseits öffentliche Milliardenhilfen einsacken und gleichzeitig üppige Dividenden an ihre privaten Aktionäre zahlen wollen. So twitterte etwa Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion: Wer auf Staatshilfe setzt, könne nicht gleichzeitig Gewinne an Aktionäre ausschütten. »Das ist die hässliche Fratze des Kapitalismus.«

Den allermeisten deutschen Aktiengesellschaften geht es nach einer zehn Jahre währenden Hochkonjunktur prächtig. So konnten Deutschlands Top-Unternehmen im vergangenen Jahr erneut Rekordumsätze erwirtschaften. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) haben sämtliche Gewinne vor Zinsen und Steuern der 100 größten börsennotierten Unternehmen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 addiert. Das stolze Ergebnis: 81 Milliarden Euro kommen da zusammen. Und der Boom hielt bis ins erste Quartal dieses Jahres an. Ganz oben schaut es noch rosiger aus. Die 30 Konzerne im Deutschen Aktienindex (DAX), also die Sahne auf der Sahne, verfügen laut einer Auswertung der »Wirtschaftswoche« über Barmittel in Höhe von rund 360 Milliarden Euro. Angesichts solcher Erfolgszahlen darf es nicht überraschen, dass 2019 von den DAX-Konzernen laut EY rund 37 Milliarden an Dividenden ausgeschüttet wurden. Viele Aktiengesellschaften planen auch in 2020 eine Ausschüttung. Jedes zweite DAX-Unternehmen will sogar die Dividende erhöhen, darunter der Versicherer Allianz, der Medizinkonzern Fresenius und die teilstaatliche Volkswagen AG.

Für eine Dividendenausschüttung gibt es durchaus beachtliche Gründe. Die Ausschüttungen, die in diesem Frühjahr auf den Hauptversammlungen beschlossen werden sollen, stammen aus den Gewinnen des vergangenen Jahres. Streng genommen haben sie also mit der Coronakrise, die im März ausbrach, nichts zu tun. Auch haben nicht sämtliche DAX-Giganten Staatshilfe beantragt oder profitieren wenigstens vom staatlichen Kurzarbeitergeld. Befürworter einer Dividendenausschüttung verweisen zudem auf das deutsche Aktienrecht. Dieses schreibt Vorstand und Aufsichtsrat vor, »höchstens« die Hälfte des Jahresüberschusses im Unternehmen zu belassen - mindestens 50 Prozent des Gewinns muss an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

Allerdings kann die Hauptversammlung der Aktionäre von dieser gesetzlichen Regelung freiwillig abweichen. Kleinaktionäre spielen dabei freilich kaum eine Rolle, denn die Aktien deutscher Unternehmen gehören zu weit über 90 Prozent institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Investmentfonds. Jede zweite deutsche Aktie befindet sich im Eigentum ausländischer Aktionäre.

»In einer solchen Krise, in der viel Geld fließt, müssen sich auch Aktionäre und Unternehmen beteiligen«, fordert Markus Dufner auf Anfrage des »nd« von den Aktiengesellschaften. Dufner leitet den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre in Köln. Er befürchtet, dass andernfalls die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland noch größer würde.

Angesichts der Aktionärsstruktur dürfte dagegen wohl nur eine politische Lösung helfen. Thomas Heilmann, Unternehmer und CDU-Bundestagsabgeordneter, machte im Fraktionsvorstand von CDU/CSU darauf aufmerksam, dass es bisher kaum Ausschlusskriterien für Staatshilfen gebe. Heilmann will zunächst einen Appell an die Wirtschaft richten, in diesem Jahr keine Dividenden zu zahlen. Wenn das nichts nütze, müssten gesetzliche Auflagen her und das Aktiengesetz zeitweise außer Kraft gesetzt werden.

Linken-Vorsitzende Katja Kipping weist auf das Beispiel Dänemark hin. Wie Olaf Scholz »klotzt« auch die sozialdemokratische Regierung von Mette Frederiksen. Doch Kopenhagen hat am 17.04.2020 beschlossen, dass größere Firmen, die Staatshilfen erhalten, keine Dividenden ausschütten dürfen. Ähnliche Regelungen gelten in Polen. Für eine gesetzliche Steuerung gibt es bereits ebenso in Deutschland ein Vorbild. Bei den Bedingungen für Hilfskredite der staatliche KfW ist festgehalten: Gewinn- und Dividendenausschüttungen sind während der Laufzeit des Kredits »nicht zulässig«. Dies gelte selbst für von Hauptversammlungen gefasste Beschlüsse.

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