Auftrag erfüllt!

Der südafrikanische Bürgerrechtler Denis Goldberg ist mit 87 Jahren gestorben

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bereue nichts, gar nichts, außer einem Fehler: Ich wurde gefangen genommen.« Das war der klassische Einstieg, wenn Denis Goldberg vor südafrikanischen Schülerinnen und Schülern aus seinem Leben und dem Kampf gegen die Apartheid erzählte. Kinder und Jugendliche aller Hautfarben konnte der glänzende Erzähler damit gewinnen. Das schilderte Goldberg in seiner Biografie »Der Auftrag«, die auf Deutsch 2010 im Verlag Assoziation A erschienen ist.

Denis Goldberg war berühmt, daraus gemacht hat er sich nichts: Nahbar, offen und herzlich von der ersten Begegnung an, ob bei direkten Treffen oder im E-Mail-Verkehr. Nach dem Tod von Nelson Mandela schickte er auf Anfrage sofort ein paar Zeilen über seinen Kampfgefährten für das »neue deutschland«, das ihm auch persönlich nahe stand: Seine zweite Ehefrau Edelgard Nkobi-Goldberg schrieb unter dem Pseudonym Hanna Ndlovu viele Jahre über und aus dem Südlichen Afrika für das »nd«.

Denis Goldberg saß 22 Jahre im Gefängnis. Er wurde 1964 als Angeklagter Nummer 3 gemeinsam mit Nelson Mandela und weiteren Kampfgefährten zu viermal lebenslänglich verurteilt - als einziger Weißer. Gebrochen hat das den 1933 als Sohn jüdischer Einwanderer in Kapstadt Geborenen nicht. Er liebte das Leben und sah sich unterm Strich auf alle Fälle als Glückskind. »Leben! Leben ist wunderbar!« war sein legendärer Ausruf, nachdem das Urteil im Rivonia-Prozess gegen ihn und sieben Mitstreiter des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) verkündet wurde. Denn »nur« lebenslänglich statt der Tod am Galgen war ihm Grund zur Freude. 1985 kam er zu Beginn der Verhandlungen um die Beendigung des Apartheidsystems als erster der acht Rivonia-Gefangenen frei.

Denis Goldberg wuchs in einem hochpolitischen Elternhaus auf, wurde säkular und sozialistischen Idealen folgend erzogen: Alle Menschen sind unterschiedslos und mit Respekt zu behandeln. Auch seine erste Lehrerin, die von ihm verehrte Fräulein Cook, prägte ihn in diesem Sinne. Als die Befreiungsbewegung ANC 1961 nach Jahren des gewaltfreien Widerstands einen bewaffneten Arm gründete, schloss sich ihm der junge Bauingenieur als technischer Offizier an. Nur zwei Jahre später wurde die Führungsspitze der Untergrundorganisation auf einer Farm nahe Rivonia verhaftet.

Denis Goldberg hat seinen Auftrag erfüllt: Auf dem Papier sind in Südafrika inzwischen alle Menschen gleich. Dass die Realität anders aussieht, liegt an Versäumnissen, die nicht Goldberg zu verantworten hat: »Ich bin nicht verbittert; Bitterkeit frisst einen von innen auf. Aber ich bin manchmal verärgert über Machtmissbrauch, die andauernde ungerechte Eigentumsverteilung und über einen Staat, der die sozialen Menschenrechte verletzt. Dennoch lasse ich mir die Freude über unseren Sieg und die Aussicht auf eine bessere Zukunft nicht nehmen.« Dieses Fazit zog er in seiner Biografie. Hamba Kahle! - Geh gut! wird in Südafrika den Verstorbenen gewünscht, und der am Mittwochabend mit 87 Jahren verstorbene Denis hat es sich redlich verdient. Seine Stiftung »Denis Goldberg Legacy Foundation Trusts« lebt ohnehin weiter. Und wer Denis posthum erleben will, kann sich seinen Auftritt 2016 mit einem Orchester in Stellenbosch anschauen, wo er begleitet von Musik sein Leben im Zeitraffer Revue passieren lässt: dasND.de/goldberg.

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