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Dichterin des Holocaust

Geschichten vom Krieg

  • Martin Stolzenau
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie entstammte dem assimilierten jüdischen Großbürgertum, entwickelte sich unter dem Einfluss von Selma Lagerlöf zur Schriftstellerin und wurde zu einer «Zeitzeugin des Holocaust, wofür sie 1966 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam. Sie vermied es lebenslang, über ihr Leben zu sprechen, wollte allein durch ihr schriftstellerisches Werk gelten und ist bis heute im Unterschied zu anderen deutschen Nobelpreisträgern wie Thomas Mann und Günther Grass in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Erst die spektakuläre Sonderausstellung »Flucht und Verwandlung. Nelly Sachs« 2010 im Jüdischen Museum in Berlin bescherte ihr eine größere Aufmerksamkeit. Wieder nur von kurzer Dauer. Erneute Erinnerung zum 50. Todestag ist wünschenswert.

Geboren 1891 unter dem Namen Leonie Sachs in Berlin als Tochter eines Erfinders und Gummiwarenfabrikanten absolvierte »Nelly«, wie sie gerufen wurde, zwei Höhere Töchterschulen. Abitur war für Mädchen noch nicht möglich. Schon in jungen Jahren offenbarte sie großes Interesse für Literatur, Musik und Tanz. In ihrer Begeisterung über den Roman »Gösta Berling« von Selma Lagerlöf schrieb sie einen Brief an die schwedische Autorin, woraus sich ein lebenslanger Briefwechsel entwickelte.

Ab ihrem 17. Lebensjahr verfasste Nelly Sachs eigene Gedichte und Puppenspiele. 1921 erschien mit Unterstützung von Stefan Zweig ihr erster Gedichtband »Legenden und Erzählungen«. Um 1930 druckten diverse Berliner Zeitungen Gedichte von ihr. Nach dem frühen Tod des Vaters an Krebs bewohnte sie mit ihrer Mutter ein familieneigenes Mietshaus in der Berliner Lessingstraße, das angesichts der ausufernden Judenfeindlichkeit der Nazis zu einem Refugium gedieh, unterbrochen durch Wohnungsübergriffe der SA und Gestapoverhöre. In der Atmosphäre wachsender Angst beschäftigte sich Nelly mit der jüdischen Geschichte und Literatur. Erst zu Kriegsbeginn entschlossen sich die beiden Sachs für das Exil.

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Über den schwedischen Prinzen Eugen und Selma Lagerlöf erhielten Mutter und Tochter ein Visum, mit dem sie im Mai 1940 nach Stockholm entkamen. Da war der Transportbefehl für ein KZ bereits ausgefertigt. Alle Verwandten wurden Opfer des Holocaust. Nelly Sachs übersetzte schwedische Lyrik ins Deutsche, schrieb Gedichte und Dramen, in denen sie das Grauen des Holocaust festhielt. Johannes R. Becher sorgte für deren Veröffentlichung nach Kriegsende: »In den Wohnungen des Todes« und »Sternenverdunklung«. In der BRD blieb die Dichterin lange ungedruckt. An ihrem 75. Geburtstag erhielt die von Krankheit bereits gezeichnete Dichterin zusammen mit dem israelischen Dichter Samuel Joseph Agnon den Literaturnobelpreis. Das Preisgeld schenkte sie Bedürftigen. Sie starb am 12. Mai 1970 in Stockholm.

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