Wellen machen glücklich

Windsurfweltmeister Philip Köster durfte diese Woche endlich wieder trainieren. Selten war es so schön

Herr Köster, wo erreiche ich Sie gerade?

Zu Hause, in meinem Haus in Pozo auf Gran Canaria . Ich war bis eben noch auf dem Wasser, drei Stunden lang, heute ist richtig guter Wind. Ich telefoniere jetzt mit Ihnen, danach esse ich kurz, dann geht’s wieder raus aufs Wasser. Ich muss meine Zeit nutzen.

Philip Köster

Philip Köster ist der beste Surfer der Welt. Im vergangenen Herbst wurde der 26-jährige Deutsche auf Hawaii zum fünften Mal Weltmeister in der Disziplin Wave (Welle) - die Königsklasse der Windsurfer. Köster lebt mit seiner slowenischen Freundin Manca Notar (Stand-up-Paddling-Profi) und der gemeinsamen Tochter Malia auf Gran Canaria. Wegen der strengen Quarantäneregeln in Spanien durfte Köster zwei Monate lang überhaupt nicht aufs Wasser. Erst am vergangenen Dienstag konnte der »Messi des Windsurfens« erstmals wieder mit dem Board aufs Wasser - seit diesem Tag ist Profisportlern auf den Kanaren das Sporttreiben tagsüber im Freien gestattet. Am Mittwoch stimmte auch der Wind, Köster trainierte drei Stunden, volle Kraft. Im Gespräch mit »nd« berichtete er von Blutblasen an seinen Händen, aufmerksamen Polizisten und seiner Sehnsucht nach den großen Wellen. Und dass er selten so viel Zufriedenheit beim Surfen empfand wie in diesen Tagen.

War es das erste Training, das Sie seit Beginn der Quarantäne in Spanien unternommen haben?

Nein, das zweite. Gestern war leider nicht so viel Welle. Aber heute gab eine sehr gute Welle vom Süden - an einem Spot, an dem man normalerweise nur einmal im Jahr ordentlich surfen kann. Glück gehabt.

Wie war’s?

Ich habe lange nicht mehr so viel Spaß gehabt beim Surfen. Und es war anstrengend: Meine Hände sind sogar ein bisschen blutig, ich habe Blasen bekommen. Das wäre normalerweise nie passiert.

In Spanien galten sehr rigide Coronabestimmungen. Welche Regel erlaubt Ihnen jetzt, wieder zu trainieren?

Seit Montag dürfen wir Profisportler tagsüber trainieren. Alle anderen Windsurfer dürfen nur von sechs bis zehn morgens und von acht bis elf abends raus aufs Meer. Nur die Profisportler, die vom Sport leben oder wirklich Geld verdienen, die dürfen schon den ganzen Tag draußen sein und das machen, was sie machen müssen, um ihre Arbeit fortzusetzen.

Waren Sie der einzige, der dort an dem Spot auf dem Wasser war?

Nein, ein spanischer Kollege hat auch da trainiert. Wir waren nur zu zweit auf dem Wasser, das hat man normalerweise fast nie hier auf Gran Canaria. Ich hatte also sehr, sehr viele Wellen nur für mich. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Für die anderen Windsurfer tut es mir leid, hoffentlich bessert sich das bald. Am 11. Mai soll es auch für andere Sportler Lockerungen geben.

Die Windsurfer haben sich immer an die Verbote gehalten?

Ja, klar. Es fährt hier auf der Insel wirklich immer noch sehr viel Polizei herum: Man muss sehr oft seine Papiere vorzeigen. Das ist alles nicht sonderlich entspannt.

Wie lange waren Sie vorher nicht mehr richtig gesurft?

Zwei Monate lang war ich nicht auf dem Wasser, und das merkt man wirklich: Ich muss jetzt wieder neu anfangen. Heute stand ich nicht mehr so ganz locker auf dem Board. Ich musste mich wirklich wieder sehr dran gewöhnen (lacht).

Was haben Sie denn »verlernt«?

Man hat einfach nicht mehr die Sicherheit und nicht mehr die Routine bei den Manövern, den Sprüngen. Man muss sich alles wieder neu erarbeiten. Aber das geht schnell.

Wann haben Sie denn das letzte Mal so eine lange Unterbrechung erlebt?

2016, nach meiner Knieverletzung. Da hatte ich eine noch längere Pause, aber wenigstens konnte ich mit dem kaputten Knie gleich nach der OP schon wieder ein paar Sachen machen. Zusätzlich zur Physiotherapie war ich immer ein bisschen unterwegs. Und das war schon etwas leichter für mich als 2020, wo ich nicht rauskam. Dieses Mal durfte ich ja noch nicht mal vor die Tür. Das war schon ein Stück extremer.

Wie ging es Ihnen mit der strengen Quarantäne, die Spanien verhängt hatte?

Es war anstrengend. Wir durften nur einmal die Woche zum Supermarkt, das war dann immer das Highlight. Sonst kommt man eigentlich nur raus zur Apotheke oder mit dem Hund, wenn man einen hat: Gassi gehen. Sporttreiben war nicht möglich, man war eingesperrt.

Wie haben Sie sich fit gehalten?

Im Garten bin ich mit meiner Frau jeden Tag vier oder fünf Kilometer gegangen - im Kreis. Die Strafen für Verstöße gegen die Quarantäne sind in Spanien sehr hoch. Die fangen bei 600 Euro an und gehen bis hin zu 15 000 Euro. Ich musste also zu Hause trainieren. Mit dem Fahrrad auf der Rolle oder am Rudergerät, manchmal auch mit Gewichten. Ein großer Freund davon bin ich nicht. Nachdem ich jetzt zwei Tage auf dem Wasser war, habe ich auch ordentlich Muskelkater.

Sie sind seit vielen Jahren Profi. Haben Sie durch die Pause auch festgestellt, wie wichtig Ihnen das Windsurfen ist?

Oh ja, das auf jeden Fall. Gestern, beim ersten Mal, war ich sehr, sehr glücklich auf dem Wasser, obwohl ich wirklich keine einzige Welle hatte und nur sehr leichter Wind wehte, was normalerweise nicht so viel Spaß bringt. Aber ich war happy.

Der Weltmeister, der sonst mit dem Brett 15 Meter hoch springt, genießt das Surfen bei leichter Brise ...

Haha, genau. Man wartet ja auch stets darauf, dass die Polizei kommt und einen rausholt aus dem Wasser.

Ach so?

Klar, denn wenn man da draußen in den Wellen ist, sehen die Leute am Strand ja einfach nur jemanden auf dem Meer surfen. Die meisten wissen nicht, dass das ein Profisportler ist, der das darf, und rufen dann die Polizei an. Die kommt dann und winkt einen raus. Dann zeigt man seine Papiere, und es geht weiter. Ist schon okay so.

Sie sind 2019 zum fünften Mal Weltmeister geworden. Es war knapp, die Konkurrenz ist hart. Wer von den Gegner kann gerade trainieren und wer nicht, haben Sie das im Blick?

Alle Profis, die in Hawaii sind, konnten die ganze Zeit aufs Wasser. Da sind einige meiner Konkurrenten dabei, Ricardo Campello aus Venezuela zum Beispiel oder Victor Fernandez aus Spanien. Die surfen da täglich.

Falls die Saison im Sommer wieder beginnen sollte, hätten diese Kollegen einen klaren Vorteil. Wie geht es Ihnen damit?

Man macht sich schon Gedanken darüber, dass die anderen die ganze Zeit trainieren können und man selbst nicht. Aber so ist es halt, man kann es nicht ändern.

Gibt es Zeichen von der Profi-Serie PWA, wann die Saison losgehen kann?

Also bis jetzt ist nichts abgesagt, die Saison sollte im Juli losgehen. Aber wer weiß.

Ist der sechste Weltmeistertitel ein realistisches Ziel?

Auf jeden Fall, mal gucken, wie die Situation im Sommer ist. Ich hoffe mal, dass alles so klappt. Wenn nicht dieses Jahr, dann nächstes Jahr. Ich werde alles geben, und ich trainiere ab jetzt so viel, wie ich kann. Schon heute werde ich bestimmt fünf bis sechs Stunden auf dem Wasser sein.

Was war für Sie das Schwierigste an dieser Corona-Pause?

Auf jeden Fall nur zu Hause trainieren zu können - wirklich motiviert zu sein, immer weiterzumachen. Die ersten ein, zwei Wochen waren noch okay, anfangs war ja alles wie ein kleiner Urlaub. Aber danach war es manchmal schwierig, sich zu überwinden.

Und hatte die Zeit der Pandemie auch etwas Gutes?

Dass ich mit meiner Familie so viel Zeit hatte. Sonst bin ich immer sehr viel auf Reisen, 2019 saß ich 75 Mal im Flugzeug. Da war es schön, dass wir mal so lange zusammen zu Hause waren. Meine Freundin und ich haben ja seit Februar unsere erstes Kind: Malia - unsere Tochter. Mit ihr war immer viel los. Uns wurde nie langweilig.

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