nd-aktuell.de / 12.05.2020 / Kultur / Seite 12

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Best of Menschheit, Folge 19: Deutschlandklischees

Tim Wolff

Am 8. Mai 1945 wurde Deutschland nicht befreit - von wem auch, der nicht zu ihnen gehört hätte? -, sondern die Deutschen wurden nach langem, zähem Kampf gezwungen, ihre Lebensgeschichten umzulügen. Plötzlich hatte es an der Ostfront so viele Köche gegeben, dass das Welthungerproblem auf einen Schlag gelöst gewesen wäre. Und wissen hatte man sowieso nichts können, und wenn man doch nachgewiesen bekam, dass man wusste, was offensichtlich war, wäre man selbst dran gewesen.

Aus Tätern und Mitläufern wurden potenzielle Opfer. Und weil sie sich beim Lügen recht brav in die neuen Verhältnisse einfügten, mussten die Deutschen nur einen lächerlichen Preis für ihre historisch exzeptionellen Verbrechen zahlen. Längst sind sie selbst darauf stolz, wie toll sie das - im Vergleich zu anderen Nationen, die ja auch schlimme, vielleicht noch schlimmere Sachen angestellt haben - »bewältigt« haben. Sie sind ein Vorbild unter den Nationen. »Germans - you can’t stay mad at ’em«, wie es Homer Simpson mal bierkrugschwenkend auf einem Oktoberfest zusammenfasste, »Deutsche - man kann einfach nicht wütend auf sie bleiben.«

Das ist lustig, weil die Fallhöhe von Verbrechen gegen die Menschheit zu schunkelnder Bierseligkeit so hoch ist. Das ist ist lustig, weil es eigentlich so traurig wie ungerecht ist. Das aber ist immerhin das einzig wirklich Gute, wenn man ehrlich ist, das sie seit den Verheerungen ausgelöst haben: Witze über sie.

Auch die Witze von Leuten, die Deutschland nie kennengelernt haben und doch mehr über die Deutschen wissen als diese selbst: »There is one country that worries me - not Iraq, not Iran, not North Korea. The only country that really worries me is the country of Germany.« Nur vor Deutschland hat der kanadisch-amerikanische Komiker Norm McDonald Angst, denn: »I don’t know if you guys are history buffs or not. In the early part of the previous century, Germans decided to go to war. And who did they go to war with? The world. That’d never been tried before. So you figure that would take about five seconds for the world to win, but no, it was actually close.« Einmal haben sie einen Weltkrieg verloren, aber kein Grund aufzuhören! »Then about 30 years passed, and Germany decides again to go to war, and again it chooses as its enemy the world… you think at that point the world would go, listen Germany, here’s the deal, you don’t get to be a country no more, on account of you keep attacking the world.« Eines kann man also den Deutschen nicht nachsagen: dass sie in dem historischen Furz ihrer Existenz sich nicht alle Mühe gegeben hätten, Verwesungsgestank zu verbreiten. Doch trotzdem existiert diese Nation, dieses »Volk« - oder welche Begriffe für diesen menschheitgeschichtlich gesehen vollkommen verhunzten Kulturraum noch so gebräuchlich sind - weiter und weiter.

Norm McDonalds Ausführungen zirkulierten unter amerikanischen Komikern als beneidete komische Großtat. Dabei ist es nur witzig, weil es wahr ist. Genauso wie die deutsche Spielshow »Stackenblocken« nie unlustig wird, die einst in Conan O’Briens Late-Night-Show zu sehen war: Eine Kandidatin muss Gegenstände auf einem Tisch exakt rechtwinklig arrangieren - es gelingt ihr bei einem nicht, woraufhin ein Uniformierter samt Schäferhund erscheint, per Lineal nachprüft und die Verliererin niederprügelt. Es bleibt auch lustig, wenn im South-Park-Film die Kinder auf einen »german scheiße-movie« stoßen und ausrufen: »What is wrong with german people?« Eine lustige Antwort darauf zu finden, ist wahrlich das einzige Vergnügen, das dieses Land der Welt je bereitet hat.