Das (vorläufige) Ende des Andreas Kalbitz

AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat mit dem Rauswurf des völkischen Nationalisten nur einen vorläufigen Sieg errungen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Votum kommt überraschend: Am späten Freitagnachmittag entschied sich eine Mehrheit im AfD-Bundesvorstand, einem Antrag des Vorsitzenden Jörg Meuthen zu folgen und Andreas Kalbitz mit sofortiger Wirkung aus der Partei auszuschließen. Die Abstimmung fiel denkbar knapp aus: Sieben Mitglieder des Gremiums votierten für den Rauswurf, fünf dagegen, ein Vorstand enthielt sich bei der Abstimmung. Ein überzeugendes, klares Ergebnis sieht anders aus. Es zeigt, wie zerrissen die AfD-Führung agiert, wie unterschiedlich die Interessenlagen sind.

Da ist vor allem Parteichef Meuthen. Er brauchte diese schnelle Entscheidung unbedingt. Seine Machtposition in der Partei ist angeknackst, seit er entschied, sich offen gegen die völkischen Nationalisten in der Partei zu stellen. Ohne den heute erfolgten Etappensieg hätte sich Meuthen kaum weiter als Parteichef halten können. Dass er dabei den Alternativantrag von Parteivizin Alice Weidel und Co-Chef Tino Chrupalla in den Wind schlug, es sollte in der Causa Kalbitz zunächst ein Rechtsgutachten erstellt werden, spricht dafür, dass Meuthen alles auf eine Karte setzte und eine Entscheidung unbedingt erzwingen wollte.

Dieser Schuss kann aus mehreren Gründen immer noch nach hinten losgehen. Kalbitz erklärte unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung, juristisch gegen seinen Ausschluss vorgehen zu wollen. Auch Weidel und Alexander Gauland kritisierten bereits, dass der Rauswurf juristisch anfechtbar sein könnte. Besonders Gauland dürfte die Entscheidung schmerzen, hatte er Kalbitz doch 2017 zu seinem Nachfolger als Brandenburger AfD-Landeschef und Fraktionsvorsitzenden aufgebaut.

Was direkt zur nächsten großen Unbekannten führt: In Brandenburg saß Kalbitz fest im Sattel, der Landesverband stand geschlossen hinter ihm und wird es wohl auch weiterhin tun. Noch am Freitagvormittag hatte sich der AfD-Jugendverband »Junge Alternative« (JA) zu Wort gemeldet. Demonstrativ hatte der JA-Landesverband auf Twitter verkündet, dass man hinter Kalbitz stehe. Ähnliche Äußerungen kamen unter anderem auch aus den AfD-Landesverbänden Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Baden-Württemberg, dem Landesverband von Meuthen, erschien sogar ein Protestbrief, der Parteivorsitzende müsse selbst aus der AfD ausgeschlossen werden.

Nur einer hielt sich auffallend mit öffentlichen Äußerungen zurück: der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, neben Kalbitz die zweite wichtige Führungsfigur des inzwischen formal aufgelösten »Flügel«. Sein Schweigen wirft die Frage auf, ob Kalbitz als politisches Bauernopfer herhalten musste, um Druck vom Kessel zu nehmen, weil eine Überwachung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz droht.

Die Frage wird sich vermutlich dann klären, wenn in den nächsten Wochen klarer wird, wie die von den völkischen Nationalisten dominierten ostdeutschen Landesverbände auf den Rauswurf von Kalbitz reagieren. In dieser undurchsichtigen Gemengelage scheint von politischem Opportunismus bis hin zu einer möglichen Parteiabspaltung alles möglich. Letzteres wäre in der noch jungen AfD-Geschichte nicht das erste Mal.

Festzuhalten bleibt aber vor allem eines: Letztendlich ist es egal, wie die Causa Andreas Kalbitz ausgeht. Ein prominenter Ausgeschlossener ändert nichts am rassistischen, nationalistischen und rückwärtsgewandten Charakter der ganzen Partei. Im Zweifel wird es jemand anderen geben, der die Position des Rausgeworfenen als Netzwerker der Völkischen einnimmt. Parteichef Meuthen hat an diesem Abend einen Punktsieg erzielt. Seine zahlreichen Widersacher werden sich bei der passenden Gelegenheit daran erinnern.

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