Geld zurück ist noch nicht umverteilt

Starökonom Thomas Piketty und Sahra Wagenknecht diskutieren über Vermögensbesteuerung

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

»Corona ist eine Zeit der Experimente«, sagt Fabio De Masi. Es ist der Dienstagabend dieser Woche. Und der stellvertretende Vorsitzende und finanzpolitische Sprecher der Linkspartei im Bundestag moderiert eine Veranstaltung – und eben nicht in einem großen Saal vor Publikum, sondern im Internet. Via Youtube, Twitter oder Facebook können sich Interessierte die Diskussion bequem von zu Hause aus anschauen.

Es ist nicht die einzige Veranstaltung dieser Art in diesen Tagen. Ihr Thema ist eine Forderung, die in Zeiten von Corona wieder lauter wird: die Besteuerung von großen Vermögen. SPD-Chefin Saskia Esken brachte dies jüngst ins Spiel, damit die Kosten für die Coronakrise fair verteilt werden. Die Linkspartei fordert das sowieso.

Zur Diskussion eingeladen hatte De Masi – auch aus dem Wohnzimmer heraus – die Linksparteipolitikerin Sahra Wagenknecht und Thomas Piketty. Letzterer ist einer der weltweit renommiertesten Experten in Verteilungsfragen. Mit seinem Buch »Das Kapital im 21. Jahrhundert« schuf der französische Ökonom ein fakten- und zahlenreiches Standardwerk, das es auch Wagenknecht erst ermöglichte, ihr Buch »Reichtum ohne Gier« zu schreiben, wie die promovierte Ökonomin unumwunden zugab.

Die große Vermögenskonzentration in Deutschland spiele auch im coronabedingten Lockdown eine große Rolle, erklärte Piketty. Es mache eben einen Unterschied, ob man diesen in einem großen Haus verbringe oder nur eine kleine Wohnung habe. Zudem werde sich diese Ungleichheit etwa infolge von steigender Arbeitslosigkeit weiter verschärfen.

Vor allem ging es bei der Diskussion aber um die Frage, wer für die milliardenschweren Hilfspakete, mit denen vornehmlich Unternehmen und Selbstständige vor dem wirtschaftlichen Kollaps gerettet wurden, letztlich bezahlen soll. Es sei »unglaublich«, sagte Wagenknecht, wie schnell deswegen wieder die Debatte um soziale Kürzungen beginne.

Dabei werden die Hilfspakete erst mal über neue Schulden finanziert. 156 Milliarden Euro neuer Kredite will der Bund deswegen aufnehmen. Es könnten aber noch weitaus mehr Kosten auf die Allgemeinheit zukommen. Denn der größte Anteil des 1,2 Billionen Euro schweren staatlichen Hilfspakets sind Kredite an die Unternehmen. Werden diese nicht zurückgezahlt, bleibt die Allgemeinheit auf ihnen sitzen.

Der »optimale Weg« in einer Krise wäre für Wagenknecht die Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Doch das ist der EZB verboten. Vor allem kann man das nicht auf Dauer machen, weil es ansonsten zu einer Inflation kommt. Was bleibt also außer einer Besteuerung großer Vermögen, will man nicht die Kosten der Krise auf die unteren Teile der Bevölkerung abwälzen?

Dabei gab es eine Vermögensabgabe sogar schon einmal in der Geschichte der Bundesrepublik. Mit dem »Lastenausgleich« wurden in den 1950er Jahren die Reparationsforderungen und Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg bezahlt. Für Verteilungsforscher Piketty war dies eine gute Sache: »Ansonsten wären die deutschen Schulden heute noch immer nicht abgebaut.«

Zudem, warf Wagenknecht ein, werde mit einer Vermögensbesteuerung Vermögen noch gar nicht umverteilt. Es wird erst mal nur Geld zurückgeholt. Die ehemalige Linke-Fraktionsvorsitzende verwies dabei auf das Beispiel BMW: Der Autobauer profitiert derzeit von der Kurzarbeiterregelung, indem er für weite Teile der Beschäftigten nur ein sehr verringertes Gehalt zahlen muss. Gleichzeitig zahlt er dieses Jahr an seine Aktionäre eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro aus. Die Hälfte davon bekommt das Geschwisterpaar Klatten/Quandt.

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