Die Lockerungen im Griff behalten

Hotels dürfen in Brandenburg seit Montag wieder Gäste empfangen - zwei Landtagsabgeordnete fordern jetzt mehr Coronatests

Draußen könnte man schön auf den Bänken sitzen, aber es regnet. Drin im Bistro am Stadthafen von Liebenwalde sind, soweit zu sehen, alle Tische frei. Doch die Bedienung handelt korrekt und vorsichtig. Sie hat gerade erst einen Stapel Dokumente mit Auflagen bekommen, die sie einhalten muss, wenn das Bistro in der Coronakrise öffnen will. Darum verkauft sie an Sonntagsausflügler, die auf dem Radweg Berlin-Kopenhagen unterwegs sind, nur aus dem Fenster - Punsch, Mineralwasser und Kuchen.

Dabei dürfen seit Montag in Brandenburg Hotels sogar schon wieder Gäste empfangen. Beim Frühstück dürfen sich die Gäste allerdings noch nicht wieder selbst am Buffet bedienen. Das gehört zu den Hygieneauflagen. Neun Wochen mussten die Hotels geschlossen bleiben, und nicht alle machen gleich von der Möglichkeit der Wiedereröffnung Gebrauch. Zahlreiche große Hotels bleiben noch zu. Für sie rechne sich die Öffnung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, sagt Olaf Schöpe, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga). Schöpe blickt den nächsten Monaten trotzdem optimistisch entgegen. »Viele Gäste warten nur darauf, wieder Urlaub machen zu können«, zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. Das spürten die Hotels bei den Buchungen.

In Potsdam sind seit Montag auch wieder Dampferfahrten mit der Weissen Flotte möglich. Die »MS Sanssouci« eröffnete mit einer Schlösserrundfahrt um 11 Uhr die wegen der Corona-Pandemie bis dahin ins Wasser gefallene Saison.

Die Linke-Landtagsabgeordneten Andrea Johlige und Ronny Kretschmer sehen die mannigfaltigen Lockerungen kritisch. »Dadurch wird der Eindruck erweckt, die Pandemie wäre besiegt, das Schlimmste überstanden«, schreiben sie in einem Blogbeitrag. Dieser Eindruck sei trügerisch. »Noch immer wissen wir zu wenig über das Virus.« Der Erreger dürfe keinesfalls unterschätzt werden.

»Wir wissen«, geben Johlige und Kretschmer zu, »dass der Druck aus der Bevölkerung aktuell massiv ist und die Politik um Lockerungen gar nicht herumkommt.« Aus ihrer Sicht kann es deshalb neben Abstandsgebot, Hygienevorschriften, Maskenpflicht und dem Verbot von Großveranstaltungen nur eine Strategie geben: »Testen, testen, testen!« Dies sei das einzige Instrument zum schnellen Erkennen von Infektionen und zum Nachvollziehen von Infektionsketten. Ein Blick über die Landesgrenzen zeige, dass Staaten wie Südkorea, Island, China und Israel, die konsequent getestet haben, die Pandemie effektiv in den Griff bekamen beziehungsweise gerade bekommen, »da sie Neuinfektionen sehr schnell erkennen und Quarantänemaßnahmen ergreifen können«.

Johlige und Kretschmer schlagen vor, die Testkapazitäten auszubauen und sinnvoll dort einzusetzen, wo Mindestabstände schlecht eingehalten werden können, also beispielsweise in Kitas, Schulen, Pflegestationen und Asylheimen. Das rot-schwarz-grün regierte Land Brandenburg entziehe sich hier seiner Verantwortung. »Für keinen der genannten Bereiche wurden klare Regelungen zum Screening erlassen.« Die Verantwortung werde auf die Kommunen abgewälzt.

Mehr als eine Million Tests auf das Coronavirus könnten jetzt schon pro Woche in Deutschland durchgeführt werden. Praktisch seien es in der vergangenen Woche lediglich 425 000 gewesen.

Auch wenn der Name in dem Blogbeitrag nicht auftaucht: die Äußerungen der beiden Landtagsabgeordneten können und müssen auch als Antwort auf Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) verstanden werden. Dieser spielte mit dem Gedanken, in seinem Bundesland sämtliche Beschränkungen aufzuheben und die Entscheidung künftig den Kommunen zu überlassen.

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