Neuer Präsident ist ein alter Bekannter

In Burundi wird der Ex-General Évariste Ndayishimiye nach umstrittenen Wahlen zum Sieger ausgerufen

  • Marc Engelhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Während die wenigen Geladenen im Luxushotel Club du Lac Tanganyika noch auf das offizielle Ergebnis der Wahlen in Burundi warteten, standen draußen auf den Straßen Bujumburas bereits Hunderte Bewaffnete parat. Seit dem Morgen waren in Burundis größter Stadt Jeeps mit Soldaten und Sondereinheiten der Polizei aufgefahren. Auf dem Land, in der Provinz Kayanza, wurden zeitgleich Anhänger der Oppositionspartei festgenommen. Schon um elf Uhr früh seien 150 Unterstützer der größten Oppositionspartei CNL in Zellen zusammengepfercht gewesen, in die nicht mehr als 30 passten, berichtete der Menschenrechtler Pacifique Nininahazwe über den Kurznachrichtendienst Twitter. Die autoritäre Regierung des ostafrikanischen Staats von der Größe Belgiens will offenbar mit allen Mitteln Unruhen vermeiden - und zugleich ihren Kandidaten Évariste Ndayishimiye als neuen Präsidenten durchdrücken.

Noch als sich der Vorsitzende von Burundis Wahlkommission, Pierre Claver Kazihise, gegen 16 Uhr Ortszeit zur Nationalhymne erhob, sickerten die offiziellen Ergebnisse durch. Der Wahlkommission zufolge soll Regierungskandidat Ndayishimiye 68,7 Prozent erhalten haben und damit deutlich vor dem zweitplatzierten Oppositionsführer Agathon Rwasa (24,2 Prozent) liegen, zitierte das Menschenrechtsbündnis iBurundi die Ergebnisse. Die restlichen fünf Kandidaten liegen weit abgeschlagen dahinter.

Das Ergebnis bestätigt die Befürchtungen, dass Burundis starker Mann durch seinen Nachfolger weiter regieren will. 15 Jahre lang, seit dem Ende eines blutigen Bürgerkriegs, hatte er das Land mit eiserner Hand geführt: Pierre Nkurunziza, 56, Anführer einer Hutu-Miliz, die zur Regierungspartei CNDD-FDD mutierte. Sein nun proklamierter Nachfolger Ndayishimiye ist zwar ein paar Jahre jünger als Nkurunziza und soll den Aufbruch verkörpern. Doch der neue Präsident ist ein alter Bekannter.

Auf Nkurunzizas Seite schlug sich der General im Ruhestand bereits, als die größte Hutu-Miliz sich Anfang des Jahrtausends mitten im Bürgerkrieg aufspaltete. Nach Kriegsende und der Wahl Nkurunzizas 2005 übernahm Ndayishimiye die kritische Aufgabe, die neue Armee zu führen. Bis heute ist der neue Präsident ein Mann des Militärs: Bis zur Kür zum Präsidentschaftskandidaten im Januar war er Militärberater des Präsidenten, davor als Minister für Inneres und Sicherheit zuständig. Die autoritäre Gangart gegen Oppositionelle, Journalisten und Kritiker aller Art hat er maßgeblich mitgeprägt. Tiefpunkt waren die Unruhen im Umfeld eines Putsches und der Wahlen vor fünf Jahren, die Nkurunziza für sich beanspruchte. Dabei hätte er nach Ansicht der Opposition gar nicht erst für eine dritte Amtszeit antreten dürfen. Während der blutigen Auseinandersetzungen, die eine Massenflucht von mehr als 400 000 Menschen zur Folge hatte, machte sich die Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig, stellte 2018 eine Untersuchungskommission der UN fest. Dazu gehörten willkürliche Hinrichtungen und Festnahmen, Misshandlungen, Folter und die Verletzung von Grundrechten. Ndayishimiyes Aufstieg schadete das nicht. Und es gibt nicht Wenige, die befürchten, dass er mögliche Proteste der Opposition ebenso brutal niederschlagen lassen könnte wie damals.

Oppositionsführer Agathon Rwasa, der im Bürgerkrieg die Rebellen der FNL anführte, hatte schon am Freitag erklärt, das Ergebnis der aktuellen Wahl nicht anzuerkennen. Iwacu, einer der wenigen unabhängigen Zeitungen, die es im Land noch gibt, sagte er: »Wir haben die Wahl gewonnen.« Der Wahlkommission warf er vor, Fälschungen im großen Stil zugelassen zu haben. Dass dem so ist, scheint nahezu sicher. Unabhängige Beobachter aus den Nachbarländern waren in letzter Minute ausgeschlossen worden. Wählerlisten, die nach Gesetz vorab veröffentlicht werden mussten, blieben geheim. An den Urnen wählten Regierungsanhänger offenbar mehrfach, andere gaben Stimmen für längst Verstorbene ab. Wahllokale wurden zudem von der Imbonerakure belagert, der Miliz der Regierung, für die den Bürgern im Wahlkampf Zwangssteuern abgepresst wurden. Kein Wunder, dass Rwasa die Wahl am Freitag ein »wahres Fiasko« nannte.

Dieses Fiasko könnte noch größer werden, wenn sich die Szenen von 2015 wiederholen. Auch in Burundi grassiert das Coronavirus, auch wenn der Wahlkampf praktisch unbeeindruckt davon verlief. Kommt jetzt noch neue Gewalt hinzu und fliehen wieder Tausende, könnte das Folgen für die Stabilität der ganzen Region haben. Die einzige denkbare Alternative wäre wohl eine Teilung der Macht. Doch bisher hat Oppositionsführer Rwasa jede Bereitschaft dazu zurückgewiesen.

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