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Der Vorkämpfer

Emre Can will Dortmunds Fußballer anführen. Gegen Titelverteidiger München muss er sich erstmals beweisen

  • Daniel Theweleit, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Frühlingswochen, in denen Jahr für Jahr die entscheidende Phase der Bundesliga beginnt, haben den Dortmundern zuletzt eine Serie grausamer Erlebnisse beschert. Die Spielplaner terminieren das global beachtete Duell der Borussia mit dem FC Bayern München zuverlässig ins spannendste Saisonviertel, und genauso zuverlässig setzte es krachende Niederlagen für den BVB. Einem 1:4 im Jahr 2017 folgten 2018 ein 0:6 sowie 2019 ein 0:5 - Momente, in denen die Münchner klarstellten, wie die Hierarchie in der Liga aussieht. Doch nun soll alles anders sein.

Erstmals seit 2016 findet das Spitzenspiel in einer Rückrunde an diesem Dienstag in Dortmund statt. Und Michael Zorc sieht noch einen weiteren »wichtigen Faktor«, der den Ausschlag für den Tabellenzweiten geben könnte: Dortmund habe in der Winterpause mit Emre Can und Erling Haaland »zwei Winner-Typen« verpflichtet, sagt der Sportdirektor.

Die Debatte über die Mentalität des Teams ist im Umfeld des BVB über Jahre bis zur völligen Erschöpfung geführt worden. Erst die Ankunft des Torjägers Haaland und des ehrgeizigen Can hat diese Diskussion ein wenig leiser werden lassen. 27 von 30 möglichen Punkten hat die Mannschaft seit Weihnachten in der Bundesliga gesammelt. Vor dem Duell mit den Bayern sagt Zorc, es gehe darum, »dass wir an uns selbst glauben, dass wir unser Selbstbewusstsein, das wir in den meisten Spielen haben, auch zeigen«. Gestandene Führungskräfte wie Mats Hummels, Roman Bürki oder Lukasz Piszczek sollen das Team durch »Phasen« führen, »wo wir vielleicht nicht dominieren«, fordert Zorc. Besonders genau werden viele Beobachter aber auf Emre Can blicken.

Ob sich Dortmund weiterentwickelt hat, wird sich wirklich erst beantworten lassen, wenn die Transfers auch in den Erntemomenten der Saison Früchte tragen. Oder eben nicht. »Klar bin ich noch nicht lange hier, aber es ist mein Anspruch, voranzugehen, Leistung zu bringen, jeden mitzuziehen«, sagte Can jüngst der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Fast überall, wo der 26-jährige Mittelfeldspieler auftaucht, fällt ihm eine besondere Rolle zu. Er war Spielführer in vielen Jugendnationalteams. Beim FC Liverpool erklärten ihn Experten schnell zum designierten Nachfolger der Klublegende Steven Gerrard. »Wenn ich gesund war, war ich immer Stammspieler«, blickt Can auf vier Jahre in der Premier League zurück. »Das vergessen viele.« Schon als junger Fußballer in England sagte der gebürtige Frankfurter: »Ich bin erst 21, aber der Typ, der auf dem Platz auch spricht. Deshalb übernehme ich im Spiel auch gerne eine Führungsrolle.« Jürgen Klopp machte ihn drei Jahre später zum Kapitän in Liverpool.

In Deutschland hat man Can lange kaum wahrgenommen. Seit 2015 spielt er fürs A-Nationalteam, ein Stammspieler wurde er aber erst, nachdem sich Bundestrainer Joachim Löw infolge des WM-Desasters von 2018 von seinen Titelhelden aus Brasilien trennte. Und den FC Liverpool verließ Can genau ein Jahr vor dem großen Triumph des Klubs in der Champions League 2019 - obwohl ihm Klopp eine Vertragsverlängerung angeboten hatte. »Ich hatte das Gefühl, dass mir eine neue Umgebung guttun würde, um mich weiterzuentwickeln, um jeden Tag mit voller Motivation meiner Arbeit nachzugehen«, erzählt Can.

Als ganz junger Spieler arbeitete er unter Jupp Heynckes beim FC Bayern und erlebte eine ganze Sommervorbereitung in München mit Pep Guardiola. Anschließend etablierte er sich in Leverkusen in der Bundesliga; es folgten die Liverpool-Jahre und eine weitere Weltklub-Erfahrung bei Juventus Turin, wo er mit Cristiano Ronaldo, Gianluigi Buffon und Sami Khedira zusammenspielte. Nun ist er 26 und soll Borussia Dortmund so stabilisieren, dass endlich wieder ein großer Rückrundensieg gegen die Bayern gelingt. Denn das Ziel ist »auf jeden Fall« die Meisterschaft, sagt Can. Hatten sich die Dortmunder in der vorigen Saison lange vor klaren Aussagen zu eigenen Ambitionen geziert, wurden die Ziele diesmal frühzeitig formuliert. Und Can ist ohnehin ein Typ, dem Ankündigungen dieser Sorte leicht über die Lippen gehen: »Ich bin zum BVB gekommen, um Titel zu gewinnen«, sagt er.

Wenn die Bayern an diesem Dienstag besiegt werden, steht der Fußballnation vielleicht wirklich das spannendste Meisterschaftsrennen seit vielen Jahren bevor. Es wäre auch eine Chance für Emre Can. Prägt er dieses Duell, wird er endgültig als Anführer wahrgenommen.

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