AfD-Fraktion klagt gegen Mundschutzpflicht

Brandenburgs Kabinett erlaubt Öffnung von Fitnessstudios. Rechte wollen alle Einschränkungen sofort aufheben

3246 Brandenburger haben sich seit Mitte März nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt, aber 2950 von ihnen sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Dienstag bereits wieder genesen. 170 Brandenburger sind gestorben. Aktuell haben nur noch 126 Bewohner der Mark Covid-19. Von ihnen liegen 44 im Krankenhaus, acht werden auf einer Intensivstationen beatmet.

Die mittlerweile niedrigen Infektionszahlen rechtfertigen eine weitere Lockerung der brandenburgischen Eindämmungsverordnung. Das rot-schwarz-grüne Kabinett hat dies am Dienstag beschlossen. Beispielsweise sollen Sportplätze, Turnhallen, Fitnessstudios und Tanzschulen ab 28. Mai wieder öffnen dürfen. Ab 6. Juni sind Veranstaltungen wie Konzerte, Theater und Kino mit bis zu 75 Personen zulässig, unter freiem Himmel sogar mit bis zu 150 Personen.

Über diese Dinge informierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Dienstagnachmittag. Man müsse auf Sicht fahren und abwarten, was sonst noch möglich sei. Er warnte: »Wir müssen Übermut und Leichtsinn in Schach halten.«

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) ergänzte, man müsse weiterhin Kontakte minimieren, Hygieneregeln beachten und Abstand halten. Die Welt müsse noch lange mit dem Coronavirus leben. »Wir einigen uns auf ein verantwortbares Vorgehen«, wehrte sich Nonnemacher gegen Vorhaltungen, Brandenburg kleckere anderen Bundesländern wie Thüringen hinterher und erlaube Dinge zu zögerlich.

Nach Ansicht von CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann betreibt die Koalition gerade »Mikromanagement«, indem sie schrittweise spezielle Beschränkungen aufhebt. Seiner Meinung nach sollte es angestrebt werden, zu einer Eindämmungsverordnung zu kommen, die nicht jede Woche angepasst werden muss, sondern einige Monate Bestand haben könnte.

Péter Vida von den Freien Wählern begrüßte die »schonende Öffnung«. Dagegen forderte der Landtagsabgeordnete Christoph Berndt (AfD), alle Maßnahmen »sofort« zu beenden, »eventuell Risikopatienten zu schützen, aber sonst nichts«. Im März sei eine gewisse Vorsicht vielleicht noch gerechtfertigt gewesen, nun aber nicht mehr, behauptete er. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien »überflüssig und sinnlos«. Man wisse ja inzwischen, Tote gebe es »fast nur« bei Vorerkrankungen.

Nach eigenen Angaben vom Montagabend reichte die AfD-Fraktion Klage beim Landesverfassungsgericht ein - als Teil ihrer »gezielten Kampagne zur Aufhebung des Lockdown«. Konkret gelte es, die Paragrafen 4 und 5 der brandenburgischen Eindämmungsverordnung zu überprüfen. Die AfD, so hieß es zur Erklärung, gehe davon aus, dass das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes wie es derzeit in Bus und Bahn sowie in Geschäften vorgeschrieben ist, der brandenburgischen Verfassung widerspreche, ebenso wie Verbote von Veranstaltungen und Versammlungen mit größerer Teilnehmerzahl.

Ministerpräsident Woidke bemerkte am Dienstag, bisher habe in Brandenburg noch keine Klage gegen die Eindämmungsverordnung Erfolg gehabt.

Die Linksfraktion erkannte, dass Lockerungen angesichts des Drucks der Bevölkerung auf die Politik wohl unumgänglich sind. Der Abgeordnete Ronny Kretschmer regte jedoch an, entschieden mehr Menschen auf das Virus zu testen, um die Epidemie in den Griff zu bekommen. Das war indirekt auch eine Antwort auf das Vorpreschen des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Dieser wollte für sein Bundesland alle Beschränkungen aufheben.

Auch Brandenburgs SPD-Fraktionschef Erik Stohn war von dem Vorpreschen irritiert. Ramelow habe sich inzwischen besonnen und Abstandsregeln sowie das Tragen eines Mundschutzes als vernünftig anerkannt, sagte Stohn. CDU-Politiker Redmann sprach von einem »Irrlichtern von Bodo Ramelow«, das dazu führe, dass Bürger das Vertrauen in die Politik verlieren.

Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter meinte, sein Genosse aus Thüringen sei falsch verstanden worden. Der Abgeordnete Kretschmer musste angesichts der Aufregung über Ramelow erklären, wo hier der Unterschied zwischen AfD und Linke sei: »Die AfD stellt in Frage, dass wir ein Problem haben. Das stellen wir nicht in Frage.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal