»Ich habe keine Lust auf Mansplaining«

Viele Videotutorials kommen von Männern. Ein paar aber auch von Svenja Rachel Marschall und She*fix

  • Negin Behkam
  • Lesedauer: 6 Min.

Bei Youtube gibt es für so gut wie alles ein Tutorial. Ein paar Videos kommen von Ihnen. Wie kam es dazu?
Freundinnen von mir haben mit She*fix angefangen. Ich war zu der Zeit im Ausland. Als ich zurückkam, habe ich als Erstes die She*fix-Sticker gesehen - mit einem Venussymbol darauf, allerdings mit einer Zange statt mit einem Kreuz. Die Sticker fand ich sehr schön. Und da Feminismus und Technik meine Themen sind, habe ich sofort mitgemacht. Ich benutze selbst immer gerne Videotutorials, wenn ich etwas reparieren will. Allerdings sind es fast immer weiße Cis-Männer, die bei Youtube erklären, wie Technik funktioniert oder wie man Sachen repariert. Ich habe aber keine Lust auf Mansplaining. Daher habe ich gedacht, She*fix ist eine tolle Idee.

Ist es nicht ein allgemeines Phänomen, also auch außerhalb des Internets?
Ja, im Technikbereich arbeiten oft weiße Cis-Männer. Frauen sind höchstens im Hintergrund dabei. Das wollen wir ändern.

Svenja Rachel Marschall

Auf Youtube erklären vor allem Männer, wie man Dinge repariert. Svenja Rachel Marschall nervt dieses Mansplaining (von engl.: Men - Männer - und Explaining - erklären). Also hat sich die Fast-Mechanikerin der Gruppe She*fix angeschlossen. She*fix produziert eigene Videos, die erklären, wie man einen Platten am Fahrrad flickt oder eine Kettensäge richtig nutzt, und zeigt Frauen, trans, inter* und nicht binären Menschen, wie man solche Tutorials macht. Eine Unterhaltung mit der queeren Neuköllnerin über Fahrräder, weiße Cis-Männer und einen Youtube-Kanal, in dem Männer nichts zu sagen haben.

Mit feministischen Tutorials gegen Mansplaining und Männerdominanz im Technikbereich?
Genau! Das Oberthema bei She*fix ist Feminismus, dann kommt Technik und dann Fahrräder. Wir haben einen Youtube-Kanal, aber vor allem sind wir ein Kollektiv von Frauen, Lesben, trans, inter* und nicht binären Menschen. In unseren Videos zeigen wir beispielsweise, wie man Fahrräder repariert oder eine Kettensäge gebraucht, einen Bohrer richtig nutzt oder einen Computer entlüftet. Solche Sachen.

Was machen Sie selbst genau bei She*fix?
Unterschiedliches: Bei zwei Videos habe ich mitgedreht. Bei einem war ich Protagonistin, bei dem anderen habe ich das Skript geschrieben und unserem Team erklärt, wie alles gemacht wird. Dann haben wir im vergangenen Jahr einen Hackathon organisiert ...

... das ist eine Art IT-Konferenz, bei der gemeinsam Software entwickelt wird - oder eben auch Videos entstehen können.
Ja. Wir haben dort gemeinsam Erklärvideos produziert. Die Vorbereitung, aber auch die Durchführung war sehr aufwändig. Ich habe bei dem Kongress die PR-Arbeit, Organisation und Logistik gemacht. Jetzt planen wir gerade die neuen Videos für dieses Jahr. Wir wollen für jedes Video einen Release-Abend veranstalten.

Welche Themen der Tutorials kommen von Ihnen?
Die zwei Videos über Fahrräder. Ein Video zeigt, wie man einen Platten repariert. Das andere, wie man einen Sattel und einen Lenker richtig einstellt.

Kennen Sie sich mit Technik gut aus?
Ja, beim Fahrrad auf jeden Fall. Ich bin fast eine Fahrradmechanikerin. Zwei Jahre lang habe ich in einem Fahrradladen gearbeitet. Ich mag es, Technik zu verstehen und zu lernen, wie ich selbst etwas reparieren kann. Neuerdings interessiere ich mich auch für Computer. Dabei komme ich gar nicht aus dem Technikbereich, sondern eher aus dem geisteswissenschaftlichen. Aber ich finde Technik interessant.

Aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich?
Ich habe Deutsch als Fremdsprache, Linguistik und Kulturwissenschaften studiert. Jetzt arbeite ich an einer Schule in Berlin-Neukölln mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen zum Thema Sprachbildung und Empowerment.

Sind Sie gerne Lehrerin, oder ist das hart?
Die Arbeit in der Schule ist manchmal anstrengend. Es ist ja einerseits schön mit den Kindern und Jugendlichen. Sie sind total cool. Man baut eine Beziehung zu ihnen auf und sieht, wie sie wachsen und wie man sich zusammen entwickelt. Aber es ist auch viel soziale Arbeit.

Wieso haben Sie sich dennoch dafür entschieden?
Ich bin da so reingerutscht, wie viele andere auch. In Berlin ist es so, dass geflüchtete Kinder erst in eine Willkommensklasse kommen und nur Deutsch lernen, bevor sie auf die normale Schule gehen und auch Mathematik, Musik und so weiter lernen. Auch daneben haben sie weiter Sprachförderung. Das ist meine Aufgabe - und es macht mir echt Spaß.

Wenn Sie beruflich etwas ganz anderes machen: Woher kommt Ihr Interesse an Fahrrädern?
Ich komme aus einer Fahrradfamilie. Wir sind immer viel Rad gefahren. Das Reparieren hat aber oft mein Vater gemacht. Ich habe mich immer gefragt, warum das so ist. Dann habe ich irgendwann bemerkt, ich will das alles selber verstehen, reparieren und machen. So habe ich angefangen, mir das alles selbst beizubringen, durch Tutorials oder indem ich in Selbsthilfe-Werkstätten gegangen bin.

Sie haben bestimmt viele Rückmeldungen erhalten, wie die Tutorials bei Menschen ankommen?
Ja, teilweise haben schon mehrere Hundert Menschen unsere Videos angeschaut. Ich bekomme auch Rückmeldungen von meinen Schüler*innen in der Schule. Sie finden es cool, dass wir She*fix machen. Sonst bekommen wir direkte Feedbacks bei Events, die wir machen.

Sind alle Feedbacks positiv, oder gab es auch verrückte, sexistische Reaktionen von verbitterten Männern?
Wir haben bis jetzt noch kein sexistisches Feedback von irgendwelchen Cis-Männern erlebt. Die Feedbacks waren immer positiv und konstruktiv. Viele geben uns auch neue Themenideen für Tutorials. Wir schaffen es aber gar nicht, so viele Videos zu produzieren. Bis jetzt haben wir acht veröffentlicht.

Woran liegt das?
Uns gibt es noch nicht so lange, sondern erst seit etwas über einem Jahr. Man könnte meinen, es geht sehr schnell, solche Videos zu produzieren, aber tatsächlich braucht es viel Zeit. Man muss ein Script schreiben, sich überlegen: Wie gehe ich vor, und wie vermittele ich das didaktisch? Dann muss man sich um Filmtechnik kümmern: Aus welchem Winkel filme ich, wie nehme ich das Audio auf, und am Ende muss man das gedrehte Video noch schneiden. Wir sind auch nicht so viele bei She*fix.

Wie viele sind Sie?
Wir sind zu zehnt.

Sind auch Cis-Männer in der Gruppe - im Hintergrund vielleicht?
Nein.

Man kann bei She*fix auch selbst mitmachen.
Ja, unbedingt. Das ist eine offene Gruppe. Wir freuen uns sehr, wenn die Leute mitmachen wollen. Ideen für die Tutorials brauchen wir nicht unbedingt so viele, aber Menschen, die ein Skript schreiben, filmen oder sich vor die Kamera stellen wollen, können wir gut gebrauchen.

Sie sind Feministin. Gab es da eine Art Erweckungsmoment?
So direkt nicht. Ich habe irgendwann verstanden, dass wir in einem Patriarchat leben und dass ich das scheiße finde.

Also ist She*fix ein Kampf gegen das Patriarchat?
Ja, kann man schon sagen, ja.

Welche anderen politischen Kämpfe sind Ihnen wichtig?
Antirassismus und queere Themen. Ich bin selbst lesbisch, und daher beschäftige ich mich auch damit. Neben She*fix bin ich regelmäßig beim Purple Ride dabei. Das ist praktisch eine Schwester von Critical Mass. Beim Purple Ride fahren nur Frauen, trans, inter* und nicht binäre Menschen im Sommer einmal im Monat für mehr Sichtbarkeit und mehr Fahrradverkehr zwei Stunden durch die Stadt. Davor halten wir kurz Redebeiträge über feministische Themen. Außerdem machen wir jedes Jahr eine große Demo zum Frauenkampftag.

Interview: Negin Behkam

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