Gute Saisonkräfte gibt’s nicht für lau

Spargelbauern müssen in bessere Arbeits- und Lebensbedingungen investieren

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Wind, der über die Felder um Beelitz (Potsdam-Mittelmark) weht, ist empfindlich kalt für Ende Mai. Immer wieder prasseln Regenschauer auf die hellen Kunststoffbahnen, die die langen Wälle bedecken, in denen das »weiße Gold« reift. Beelitz ist Spargelland. Das 20 Hektar große Feld am Dorfrand von Schönefeld gehört den Gebrüdern Jakobs, die in Beelitz zwei Spargelhöfe betreiben. 20 bis 30 wetterfest vermummte Gestalten - Erntehelfer aus Rumänien - stechen dort die reifen Spargelstangen aus den Erdwällen. Ein wenig erleichtert ihnen die Spargelspinne die mühselige Arbeit, ein elektrisch bewegtes Hilfsgerät, das das Folienband anhebt und das Erntegut aufnimmt.

Jürgen Jakobs ist ein vielbeschäftigter Mann, die diesjährige Spargelsaison hat nach den coronabedingten Startschwierigkeiten Fahrt aufgenommen. Seit auch Restaurants und Ausflugslokale in Berlin und Brandenburg nach dem Lockdown wieder Gäste empfangen dürfen, wächst die Nachfrage nach Spargel. Der Verkauf laufe »vernünftig«, sagt er. Doch das Edelgemüse ist arbeitsintensiv und selbst bei gehobenen Preisen bis zu 11,90 Euro pro Kilogramm nur schwer mit Gewinn zu erzeugen. Jakobs, der auch Vorsitzender des Beelitzer Spargelvereins ist, sagt, er habe den Saisonstart einigermaßen gut gemeistert. Als die dringend benötigten Saisonkräfte vor allem aus Rumänien wegen geschlossener Grenzen infolge der Coronapandemie ausblieben, hat er mit anderen Unternehmen einen Großteil der Erntehelfer einfliegen lassen. Jakobs hat, anders als manch anderer, die Anreisekosten von 300 Euro pro Person übernommen.

»Wir beschäftigen derzeit 300 Saisonkräfte, 50 weniger als eigentlich nötig«, sagt Jürgen Jakobs. »Die meisten kommen seit Jahren zu uns, hauptsächlich aus Rumänien, rund zehn Prozent aus Polen.« Sie arbeiten vor allem auf den Feldern, aber auch in der Schälhalle, an der Sortieranlage und im Versand. Schon vor zehn Jahren, nach der ersten Erntehelferkrise, habe man 200 Spargelspinnen angeschafft, die nicht nur die Feldarbeit erleichtern, sondern pro Gerät eine halbe Erntekraft einsparen. Dennoch könne er 20 Prozent seiner Spargelfläche nicht bearbeiten.

Auf den beiden Beelitzer Höfen der Jakobs - den anderen betreibt sein Bruder Josef im Ortsteil Schäpe - wird auf insgesamt 250 Hektar Spargel angebaut, mit dem sie rund 40 Marktstände beliefern. Auf weiteren 50 Hektar werden ab Ende Juni Heidelbeeren geerntet, auf zwei Hektar reifen im September Kürbisse. Ingesamt 500 Menschen beschäftigen sie in der Saison - darunter im Hofladen, im Verkauf, im Catering. In den zwei großen Restaurants können 500 Gäste bewirtet werden.

Seinen Hof betrachtet Jürgen Jakobs als Vorzeigeobjekt, als Vereinschef sieht er sich in der Vorbildrolle. Das will er auch im Umgang mit seinen Saisonarbeitskräften unter Beweis stellen. »Eine Arbeitskraft verdient brutto so um die 2 500 Euro im Monat, die meisten wollen in der Regel für zwei Monate hier arbeiten«, erzählt er. Den aktuellen Hygienevorschriften gemäß werden sie aus der eigenen Gemeinschaftsküche mit Mittagessen versorgt, die Portion koste vier Euro. Gegessen werde in der Unterkunft. Das »Landmotel« am Rande von Beelitz, in dem die Erntehelfer abgeschirmt von der Öffentlichkeit untergebracht sind, macht einen soliden Eindruck. Für einen Platz in einem Dreibettzimmer werden pro Nacht sechs Euro berechnet. Jürgen Jakobs verweist darauf, dass er in seinem Betrieb der Empfehlung der Gewerkschaften folge, Arbeiten und Wohnen vertraglich getrennt zu regeln. Selbstverständlich werde der Mindestlohn garantiert. Stolz verweist der Spargelbauer darauf, dass in der vorigen Woche die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru seinen Hof besucht und sich nach einem Treffen mit ihren Landsleuten sehr angetan gezeigt habe.

Gerade erst haben sich auch die Mitarbeiter der gewerkschaftsnahen Fachstelle »Migration und Gute Arbeit Brandenburg« auf verschiedenen Spargelhöfen in der Region umgesehen. Eine der Beraterinnen, Magdalena Stawiana, hat in den vergangenen Jahren gerade bei großen Betrieben viel Kritikwürdiges im Umgang mit den ausländischen Arbeitskräften erlebt - von undurchsichtigen Verträgen über miserable Arbeitsbedingungen und Bezahlung bis zu unwürdigen Unterkünften. »Die Leute, die hierherkommen, sind sehr oft schlecht informiert. Viele unterschreiben Arbeitsverträge, die sie gar nicht verstehen«, sagt sie. Sie bräuchten Unterstützung, eine arbeitsrechtliche Aufklärung.

Beim Besuch wurde den Beratern der Kontakt mit den Erntehelfern mit Verweis auf die Corona-Bestimmungen verweigert. »Man hatte auch das Gefühl, dass die Leute selbst Angst haben, zu sprechen«, so Stawiana. Sogar die Verteilung von Flyern mit Hinweisen zum Arbeitsrecht sei unerwünscht gewesen. Auch wenn sich manches verbessert habe, wie etwa die hygienischen Bedingungen, liege noch viel im Argen. Ganz besonders bei der Bezahlung, wo man bis heute auf unklare Verträge und Abrechnungen stoße.

Auch beim Jakobshof habe man in den vergangenen Jahren mit Vertretern der Fachstelle nicht reden wollen, sagt sie. Aber zumindest die neuen Unterkünfte machten nach außen einen guten Eindruck.

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