Hohes Risiko für Menschen in Hartz IV

  • Lisa Ecke
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Personen mit Hartz-IV-Bezug stellt die Corona-Pandemie ein größeres Gesundheitsrisiko dar als für Menschen, die nicht in Armut leben. Etwa weil die meisten von ihnen öffentliche Verkehrsmittel nutzen müssen, die als Virenschleudern gelten, oder weil sie in beengten Verhältnissen etwa in Hochhaussiedlungen wohnen. Darüber hinaus ist im Hartz-IV-Regelsatz weder Geld für Schutzmasken noch für Desinfektionsmittel enthalten. Daher steigt das Risiko einer Infektion weiter an.

Gerhard Trabert, Allgemein- und Notfallmediziner sowie Professor für Sozialmedizin, stellte gegenüber dem Fernsehsender »ntv « fest: »Es wird jetzt wie durch ein Brennglas deutlich, wo es Unterschiede, gesellschaftliche Benachteiligungen in diesem reichen Land Deutschland gibt.«

Der Regelsatz sieht kein Geld für Schutzmasken vor

Erwerbslosenverbände und das Bündnis »100 Euro Mehrbedarf für Hartz IV in der Coronakrise«, in dem Sozialverbände wie der Paritätische und Gewerkschaften organisiert sind, fordern schon seit Wochen eine Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes. Dieser ist extrem knapp bemessen: Für einen Erwachsenen sind beispielsweise monatlich 16,42 Euro für »Gesundheitspflege« vorgesehen. Davon müssen Medikamente gezahlt werden sowie Hygieneartikel wie Tampons und Zahnpasta. In der Coronazeit wäre dies auch der Posten, aus dem Masken und Desinfektionsspray gezahlt werden sollen. Die 16,42 Euro bleiben jedoch oft nicht für die vorgesehenen Ausgaben übrig. Laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes vom April, die Sabine Zimmermann von der Linken angefordert hatte, hat jeder dritte Hartz-IV-Bezieher nicht einmal genügend Geld für Lebensmittel. Was fehlt, muss dann anderswo, etwa bei der »Gesundheitspflege«, abgezwackt werden. Anträge an die Jobcenter, zusätzliches Geld für Masken oder für Coronatests zur Verfügung zu stellen, wurden bisher immer abgelehnt. Auch Klagen vor Gericht für einen Mehrbedarf für Atem- und Gesichtsmasken hatten bisher keinen Erfolg. »Es wird immer wieder gesagt, man könne auch einen Schal oder Stoffmasken nutzen. Schals, Tücher haben aber nicht den Effekt wie ein normaler OP-Mundschutz, den es ja gibt. Das muss ausgeteilt, das muss finanziert werden«, so Sozialmediziner Trabert. Die Masken seien außerdem zur Zeit ein dauerhafter Ausgabenposten, da regelmäßig neue gekauft werden müssten.

Hartz-IV führt zu einer höheren Krankheitswahrscheinlichkeit

Es ist nicht neu, dass in Armut lebende Menschen in Deutschland ein höheres Krankheitsrisiko haben. Das zeigt beispielsweise das sogenannte Sterberisiko. Laut einer breit angelegten Analyse des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, die Ende 2019 veröffentlicht wurde, ist das Sterberisiko für Arme und Erwerbslose besonders hoch. Sie sterben demnach früher als Menschen, die nicht von Armut betroffen sind. Laut Trabert gibt es viele solcher Studien: Das Robert-Koch-Institut sage seit Jahrzehnten, dass es eindeutige Expertisen und Untersuchungen gibt, die zeigen würden, dass arme Menschen in Deutschland früher sterben. »Ich würde mir wünschen, dass die Politik auch in diesem sozialmedizinischen Kontext mehr auf das Robert-Koch-Institut hört und endlich etwas strukturell gegen dieses erhöhte Krankheits- und Sterberisiko tut.«

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