Bis zum Mond, ich schwöre!

SIEBEN TAGE, SIEBEN NÄCHTE: Der rapide Absturz der USA ist zur Zeit überdeutlich

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Schwört man auf die Bibel oder ein anderes heiliges Buch, ist es zugeklappt. Das hat den Vorteil, dass man bei dem, was man dort gerade schwört oder auch beschwört, nicht durch das irritiert wird, was in dem Buch tatsächlich geschrieben steht. Noch einfacher zu ignorieren ist das, hält man es weit von sich. Am besten über dem Kopf, so wie Donald Trump es in Messias-Pose zu Wochenbeginn vor einer Kirche in Washington tat - wer das Buch de facto selbst geschrieben hat, für den gilt auch nicht, was es aussagt. Für Evangelikale in den USA ist es auch kein Problem, dass sich Trump den Weg zur Kirche mit Tränengas freischießen ließ. Und ist es nicht das jetztzeitige Äquivalent zum Übers-Wasser-Gehen, wenn das stabilste Genie weltweit feststellt, wem es überall hingrapschen kann und dass es ohne Konsequenzen einen Menschen auf der 5th Avenue in New York ermorden könne?

Vielleicht wird angesichts des rapiden Absturzes der Vereinigten Staaten auch denen mulmig, die bisher in Trump Gott auf Erden am Werk gesehen haben und die im Zweifel über alle Schwächen des US-Präsidenten (also der Person an sich) hinwegsehen, solange er ihnen nur das Märchen erzählt, ihren aufgrund der Demografie unvermeidbaren Machtverlust irgendwie stoppen und sogar rückgängig machen zu können. Denn auch einem nicht ganz so stabilen Genie mag aufgehen, dass Herrschen vielleicht nicht ganz so great ist, wenn das Herrschaftsgebiet ziemlich groß ist, aber eben einem Trümmerhaufen gleicht. »Shithole Country« - das war doch immer woanders! Wo Amerika ist, ist vorn! Derzeit allerdings in Wettbewerben wie »Wo gibt es die meisten Coronatoten?«, »Wie viele Arbeitslose melden sich?« oder »Wie viel Ungleichheit erträgt eine Gesellschaft, bis man sie pulverisiert hat?« Dabei helfen Waffenrechte wie in den USA ungemein.

Die weltweite Dominanz der USA beruht(e) auf dem Dollar, dem Militär und der Technologieführerschaft in bestimmten Bereichen - vor allem aber auf der kulturellen Hegemonie, die »Amerika« zum globalen Sehnsuchtsort verklärte - dies höchst wirkungsvoll. Letztere wird auch von Trump zertrümmert.

Was in den Vereinigten Staaten von Amerika noch zu leisten vermocht wird, das hat die erfolgreiche SpaceX-Mission gezeigt. Zwei US-Astronauten dockten mit ihrer Kapsel an die ISS an, wo sie ein US-Amerikaner und zwei russische Kosmonauten in Empfang nahmen. Dass dies ohne internationale Kooperation nicht möglich gewesen wäre, fiel danach in fast allen US-Lobeshymnen unter den Tisch. Geschenkt. Dass es jetzt gleich weiter zum Mond gehen soll - ohne überbordenden Optimismus geht es eben nicht. An Bord hatten die zwei Astronauten übrigens einen kleinen Spielzeugsaurier. Dinosaurier zum Mond schießen - darauf schwören derzeit immer mehr US-Amerikaner.

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