»Hurrikan der Kreativität« gefordert

Kuba lockert Corona-Maßnahmen und muss wirtschaftlichen Rückstand aufholen

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach drei Monaten Abstandhalten fiebern auch die Kubaner dem Ende der Beschränkungen entgegen - und sicherlich auch so mancher Tourist, der seinen Herbst- oder Winterurlaub auf der Insel zu verbringen gedenkt.

Trotz einiger Rückschläge in den vergangenen Wochen sei das Infektionsgeschehen weitgehend unter Kontrolle gebracht, erklärte Präsident Miguel Díaz-Canel am Donnerstag in der Fernsehsendung »Mesa Redonda«. Er kündigte eine »graduelle und asymmetrische« Rückkehr zur Normalität in drei Phasen an. Die erste Phase könne schon in dieser oder der kommenden Woche beginnen. In der Hauptstadt Havanna, wo sich der Großteil der noch 229 aktiven Corona-Fälle konzentriert, dürften die Lockerungen aber etwas langsamer vonstatten gehen als im Rest des Landes.

Díaz-Canel forderte einen »Hurrikan der Kreativität«, um die wirtschaftliche Erholung auf den Weg zu bringen. Angesichts der schwierigen Gemengelage aus weltweiter Rezession und verschärfter US-Blockade wird der auch nötig sein. Vor allem der Einbruch des Tourismus trifft die ohnehin kriselnde kubanische Wirtschaft hart.

Trotzdem bleibe es das vorrangige Ziel, »einen erneuten Ausbruch der Krankheit zu verhindern und die Risiken zu reduzieren«, erklärte Ministerpräsident Pedro Marrero.

In der ersten Phase soll zunächst der nationale Tourismus wieder aufgenommen werden. In einer zweiten Phase können auch ausländische Gäste wieder Urlaub auf Kuba machen - jedoch nur auf den Cayos im Norden und Süden des Landes. Die sollen mit Charterflügen direkt angeflogen werden. Bei Einreise wird bei allen Besuchern die Temperatur gemessen und ein Coronatest vorgenommen. Sollte dieser positiv ausfallen, werden die Betroffenen in Quarantäneeinrichtungen isoliert. In jedem Hotel wird medizinisches Personal den Infektionsschutz überwachen. Die Auslastung der Hotels wird begrenzt; Exkursionen aufs Festland werden nicht möglich sein. Varadero bleibt zunächst kubanischen Touristen vorbehalten, später sollen einige Hotel auch für internationale Besucher öffnen.

Auf Kuba hatte es keinen flächendeckenden generellen Lockdown gegeben, aber das öffentliche Leben war nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle Mitte März weitgehend heruntergefahren worden. Einzelhandel, Öffentlicher Nahverkehr und Gastronomie sollen - wenn auch mit Beschränkungen - nun schrittweise ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ein vorsichtiges Vorgehen, um das Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen.

Im Gegensatz zu vielen Ländern der Region hat Kuba mit einer Strategie aus aktivem »Aufspüren« von Infizierten und Isolierung der Kontaktpersonen das Virus gut unter Kontrolle bekommen. Bis Samstag gab es auf der Insel 2 238 Coronafälle; 84 Menschen starben an den Folgen einer Infektion. Einige Maßnahmen, wie die Verwendung von Masken, Abstand halten und die aktive Suche nach Infizierten »sind gekommen, um zu bleiben«, so Díaz-Canel. Große Menschenansammlungen sollen weiterhin vermieden werden.

Wichtigste Aufgabe werde die wirtschaftliche Erholung sein, erklärte Marrero. Kubas Kleinunternehmer sollen daher von der ersten Lockerungsphase an ihre Geschäfte wieder aufnehmen dürfen. Rund 40 Prozent aller Arbeiter auf eigene Rechnung hatten ihre Lizenzen temporär suspendiert. Ihnen werden für eine Übergangsphase weiterhin Steuererleichterungen gewährt. Angesichts der schwierigen Lebensmittelversorgung wird die Frage für viele Restaurantbetreiber aber vielmehr sein: Wo und wann kann man Produkte legal, in kommerziellen Mengen kaufen?

Wirtschaftsminister Alejandro Gil sagte, das Land müsse mehr Devisen einnehmen, seine Ressourcen besser nutzen und Exporte anregen. Auch soll die lokale Lebensmittelproduktion gestärkt werden. »Die Strategie kann nicht mehr diesselbe sein«, so der Minister und kündigte eine »tiefgreifende Transformation« an. Die Einzelheiten sollen demnächst in einer weiteren Sondersendung erläutert werden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal