Ermahnungen statt guter Infrastruktur

Die CDU blockiert in Marzahn-Hellersdorf schnelle Verbesserungen für den Radverkehr

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Polizistin winkt den verdutzten Radfahrer zu sich und geht mit ihm zu einem komplett weiß angesprühten Fahrrad. Dieses sogenannte Geisterrad erinnert an einen tödlichen Verkehrsunfall, der sich am 18. Mai an der Kreuzung von Rhinstraße und Landsberger Allee ereignet hatte. Ein Richtung Innenstadt rechts abbiegender Sattelschlepper hatte den 47-jährigen Radler überrollt. Er verstarb noch am Unfallort.

Der junge Mann, den die Polizistin herausgewunken hatte, muss sein Rad weiterschieben, weil das Licht fehlt. Gut zwei Dutzend Beamte verteilen sich am Mittwochvormittag um die Kreuzung an der Grenze von Alt-Hohenschönhausen und Marzahn. Auf den Fahrradwegen haben sie mit Sprühkreide kaum sichtbare tote Winkel aufgemalt. Vor dem Bürogebäude Pyramide haben sie einen kleinen Infostand aufgebaut. Die Aktion ist Teil der laufenden Verkehrssicherheitswoche der Polizei.

»Wir wollen für gegenseitige Rücksichtnahme sensibilisieren«, sagt Kathrin Irmscher vom Fachstab Verkehr der Landespolizeidirektion. Rund 100 Schwerpunktaktionen waren in der Woche geplant. Es werden wohl ein paar weniger werden. Für die Sicherung der Fahrraddemonstration für den Klimaschutz von Extinction Rebellion, bei der eine Route über die Avus führt, werden Kräfte abgezogen.

Die CDU Marzahn-Hellersdorf fährt derweil einen kompletten Schlingerkurs in der Fahrradpolitik. Im Juli 2019 hatte die Verkehrsstadträtin Nadja Zivkovic (CDU) noch per Pressemitteilung kundgetan, von der Senatsverkehrsverwaltung die Einrichtung eines mit Pollern geschützten Radwegs auf der Märkischen Allee zu fordern.

Der bezirkliche FahrRat hatte sich bei seiner Sitzung vergangene Woche mehrheitlich für die provisorisch mit Warnbaken und gelben Markierungen abgeteilten Radwege ausgesprochen. Zivkovic lehnte die Umsetzung jedoch ab, wie Teilnehmer berichten. Sie habe nicht das Personal für die zweimal täglich nötige Kontrolle, soll ihre Begründung gelautet haben. Die Stadträtin war am Mittwoch für »nd« nicht zu erreichen.

»Das Argument ist nicht stichhaltig. Wie bei Baustellen üblich, werden für diese Kontrollen Firmen beauftragt. Die Senatsverkehrsverwaltung übernimmt sogar die Kosten dafür«, sagt Bjoern Tielebein, Chef der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf, zu »nd«.

Der einstige Gesundheitssenator Mario Czaja, CDU-Abgeordnetenhausmitglied aus dem Bezirk, hat auf seiner Homepage sogar eine Petition gegen die Radwege gestartet. Die derzeit auf den Straßen auf der rechten - zum Radweg umzuwidmenden - Spur parkenden »Lkw, Transporter und Pkw würden nicht einfach verschwinden, sondern in die Wohngebiete ausweichen, in denen jetzt schon Stellplätze fehlen«, heißt es darin.

Czaja scheine nicht zu wissen, dass die nächtliche Abstellung von Lkw in Wohngebieten sowieso verboten sei, erklärt Tielebein. »Der CDU im Bezirk ist offenbar inzwischen jedes Mittel recht, um gegen den Senat und Initiativen aus der Zivilgesellschaft zur Verbesserung der Fahrradinfrastruktur zu wettern«, sagt der Linke-Bezirksvorsitzende Kristian Ronneburg.

»Wir bedauern, dass die CDU an dieser Stelle dem Bezirksamt in den Rücken fällt und bewusst die Umsetzung des Mobilitätsgesetzes blockiert. Damit zeigt sich, dass die Kritik am ›Vergessen der Außenbezirke‹ nicht viel wert ist«, heißt es von den Bezirksgrünen.

Gute Nachrichten gibt es aus Charlottenburg: Nach anderthalb Monaten soll der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße am Freitag feierlich eingeweiht werden.

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