nd-aktuell.de / 19.06.2020 / Sport / Seite 12

»Meister werden ist nie langweilig«

Wolfsburgs Fußballerinnen sichern sich ihren sechsten Titel. Die Bundesliga wird eintöniger

Jirka Grahl

Na also! Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg sind Meisterinnen, mal wieder: In aller Ruhe gewannen die Titelverteidigerinnen aus Niedersachsen am Mittwoch auch das 19. von bisher 20 Ligaspielen in der aktuellen Saison: mit 2:0 gegen den Tabellensiebenten SC Freiburg.

Spannend war es in dieser Saison nie - zumindest an der Spitze. Zwei Spieltage vor Schluss tanzten folgerichtig die Wolfsburgerinnen am Mittelkreis des coronabedingt leeren Stadions und bejubelten den vierten Titel in Folge und den sechsten insgesamt: Damit fehlt den VfL-Kickerinnen nur noch ein Titelgewinn, um zu Rekordmeister 1. FFC Frankfurt aufzuschließen. 88:8 Tore, 19 Siege, ein Unentschieden, so dominant hat bisher noch kein Frauenteam die Liga beherrscht.

Corona hatte 2019/2020 wie überall für eine Saisonunterbrechung gesorgt, doch im Unterschied zu den anderen Ligen Europas durften die Frauen in Deutschland ihre Spielzeit auf dem Rasen zu Ende bringen, statt am grünen Tisch zum Meister erklärt zu werden. »Es ist natürlich schön, auf dem Platz den Titel zu gewinnen«, sagte die dänische Torjägerin Pernille Harder am Mittwoch, die mit ihrem 26. Saisontreffer den 2:0-Endstand besorgt hatte: »Drei Monate ohne Spiele und jetzt zurück: Superschön, so Meister geworden zu sein!«

Trotz der fehlenden Anhängerschaft und der Tatsache, dass wegen der Pandemie auch keine Meisterfeier stattfinden würde, wollten die Spielerinnen am Mittwoch ein wenig zelebrieren: »Es ist ein besonderer Titel, der uns unfassbar glücklich macht, auch wenn ein bisschen Wehmut da ist, dass wir nicht mit unseren Fans feiern können«, sagte Alexandra Popp nach dem Spiel mit heiserer Stimme. Sie hatte die kleine Jubelrunde im Stadion angeführt, bei der das Team, Trainer und Betreuer durch Gesänge und Gehüpfe wenigstens etwas Normalität herstellen wollten. »Es war nicht ganz einfach, keiner wusste, was darf man jetzt und was darf man nicht?«, beschrieb sie später die Gefühlslage auf dem Platz.

Trainer Stephan Lerch behauptete, auch der sechste Titelgewinn seit 2013 sei etwas Großartiges: »Titelgewinne werden nie langweilig.« Für die Fußballfans allerdings war dies wohl anders. Sein Amtsvorgänger und jetziger Vorgesetzter, Sportdirektor Ralf Kellermann räumte denn auch ein, dass sich der Frauenfußball im Wandel befinde: »Man muss auch sagen - und damit will ich die Leistung keineswegs schmälern - der Abstand von den Topklubs zum Mittelfeld und zur unteren Tabellenhälfte ist gewachsen, die Schere ist noch mal deutlich auseinander gegangen. Vor Jahren standen Spiele gegen den 7. oder 8., auch die beim 5. meist auf Messers Schneide. Wenn ich das vergleiche mit dem Spiel gegen Frankfurt, die zu diesem Zeitpunkt Vierter waren, dann ist das doch ein sehr großer Unterschied.« 5:1 hatte Wolfsburg das einstige Vorzeigefrauenteam Anfang Juni abserviert.

Die Besten werden immer besser, die dahinter schmieren langsam ab. Auch bei den Fußballerinnen spielt die wirtschaftliche Stärke des Klubs die entscheidende Rolle. Die Frankfurterinnen werden sich nach dem Ende der Saison dem Männerbundesligisten Eintracht Frankfurt anschließen, Absteiger USV Jena wird ab Juli unter dem Dach des FC Carl Zeiss agieren. Reine Frauenvereine wird es in den beiden höchsten Ligen Deutschlands dann nur noch zwei geben: Turbine Potsdam in der ersten Bundesliga (hier ist kein passender Männer-Bundesligist erkennbar), Gütersloh in der 2. Liga (hier könnte eine Fusion mit Schalke 04 drohen). So mancher Traditionalist ist wenig begeistert über die Entwicklung, die der Frauenfußball nimmt.

Den Wolfsburgerinnen indes ist dies in diesen Freudentagen schnuppe. Sie erfreuen sich zurecht an ihrer bayernartigen Dominanz. Im Pokalfinale winkt noch der fünfte Cupgewinn in Folge, da Gegner Essen alles andere als ebenbürtig erscheint. Ende August, das hat die UEFA jüngst beschlossen, wird zudem die Finalrunde der Champions League 2020 als K.o.-Turnier in Spanien ausgetragen. Wolfsburg spielt im Viertelfinale gegen Glasgow City. Wenn es richtig rund läuft, gibt es ein Triple für Wolfsburg im Corona-Jahr 2020.