Serbien stimmt für Kontinuität

Regierende Fortschrittspartei nach Wahlsieg noch klarer die bestimmende Kraft im Land

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 3 Min.

Es kam, wie es kommen sollte: Bei den Parlamentswahlen am Sonntag hat die regierende Fortschrittspartei (SNS) von Staatspräsident Aleksandar Vučić mit Abstand die meisten Stimmen erhalten. Laut Hochrechnungen votierten 62,5 Prozent der Wähler für sie. Ihr folgt mit lediglich 10,6 Prozent die Sozialistische Partei (SPS) von Außenminister Ivica Dačić. Die SPS blieb damit noch hinter den Umfragewerten vor der Wahl zurück. Über die kurz vor der Abstimmung von fünf auf drei Prozent gesenkte Sperrklausel schaffte es nur eine weitere Partei: die Patriotische Allianz des ehemaligen Wasserballspielers Aleksandar Šapić, die rund vier Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen konnte. Lediglich knapp die Hälfte der 6,6 Millionen Wahlberechtigten war zu den Urnen gegangen.

Im Parlament, der Skupština, wird die SNS damit eine erdrückende Mehrheit haben, und statt bisher 131 sogar 187 der 250 Abgeordneten stellen. 32 Mandate gehen an die Sozialisten und elf an Šapić. Die restlichen 20 Sitze verteilen sich auf die Listen der nationalen Minderheiten, für die de facto keine Sperrklausel gilt.

Dass die Opposition überhaupt nicht im Parlament vertreten sein wird, ist vor allem einem Wahlboykott ihrer Parteien geschuldet. Diese hatten der Abstimmung von vornherein einen freien und fairen Charakter abgesprochen. Außerdem konnten sich deren Anführer nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen - etwa darauf, mit gemeinsamen Listen anzutreten. Letztlich schaffte es nur Šapić in die Skupština; den sonstigen doch noch angetretenen Oppositionsparteien gelang nicht einmal mehr ein Achtungserfolg.

Neben dem nationalen Parlament wurden auch die Vertretungen auf lokaler und regionaler Ebene neu bestimmt. Auch dort zeichnet sich bis auf wenige Ausnahmen ein Sieg der Fortschrittspartei ab. Dies ist für die liberale Opposition vor allem in der Hauptstadt Belgrad schmerzlich, wo diese traditionell am besten verankert ist.

Nikola Jovanović von der oppositionellen »Allianz für Serbien« reklamierte am Sonntag gegenüber dem Fernsehsender N1, dass in Belgrad die Wahlbeteiligung lediglich bei 35 Prozent gelegen habe. Damit fehle der neuen Stadtverwaltung die politische Legitimität, meinte Jovanović. Sein Bündnis wolle deswegen nun weitere Schritte diskutieren.

Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass knapp zwei Millionen Wahlberechtigte für die SNS gestimmt haben. Dass es dabei vereinzelt auch zu Wahlbetrug gekommen sein soll, wie Nichtregierungsorganisationen berichten, ändert nichts an dieser Tatsache. Vučić dominiert die serbische Politik: Bei ihm laufen alle Fäden der Macht zusammen. Der Präsident ist mit Abstand am häufigsten in den serbischen Medien vertreten - vor allem im Fernsehen. In der Coronapandemie konnte er sich als zupackender Staatsmann präsentieren.

Am Wahlabend erklärte Vučić, dass das Ergebnis vom Vertrauen der Bürger in seine SNS zeuge - »das größte jemals in Serbien«. Nun werde man sich daran machen, eine Regierung zu bilden. An dieser sollen auch Menschen beteiligt werden, deren Parteien den Sprung ins Parlament nicht geschafft haben. Konkreter wurde Vučić dazu noch nicht. Auch ließ er offen, ob seine Fortschrittspartei erneut eine Koalition mit den Sozialisten bilden wird. Deren Vorsitzender Ivica Dačić erklärte, seine Partei sei bereit, erneut eine Regierung mit der SNS zu bilden.

In Brüssel wurde das Wahlergebnis begrüßt. EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi twitterte am Sonntag, dieser sei »ein wichtiger Tag für Serbien«. Außerdem schrieb er: »Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung bei Reformen im Zusammenhang mit der EU.« Man sehe sich in der Pflicht, »Serbien dabei zu helfen, rasch auf dem Weg zum EU-Beitritt voranzuschreiten und die wirtschaftliche Erholung nach der Covid-19-Krise zu unterstützen«.

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