Wenn Mücken rückwärts fliegen

Mit Trainer Frank Schmidt hat sich der 1. FC Heidenheim zum Kandidaten für den Aufstieg in die erste Liga entwickelt

  • Thomas Niklaus
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn beim 1. FC Heidenheim gefeiert wird, »dann richtig«, hatte Trainer Frank Schmidt vor über einem Jahr erzählt, als er nach einem möglichen Bundesligaaufstieg gefragt wurde. »Dann«, ergänzte der 46-Jährige mit einem Schmunzeln, »lassen wir die Mücken auch mal rückwärts fliegen«. Es könnte in der Tat bald soweit sein, dass die Stechinsekten im beschaulichen 50 000-Einwohner-Städtchen an der Brenz ihr Flugverhalten ändern.

Der 1. FC Heidenheim hat vor dem Saisonfinale am Sonntag bei Spitzenreiter Arminia Bielefeld als Tabellendritter der 2. Liga gute Chancen auf die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf oder Werder Bremen. »Gegen welchen Gegner wir spielen müssten, ist mir bumswurst egal. Wir haben gegen beide Klubs schon einmal gewonnen. Aber erst mal müssen wir Bielefeld schlagen«, sagte Vorstandschef Holger Sanwald.

Das Selbstvertrauen im kleinen Heidenheim ist groß. »Wir wurden immer als Dorfklub belächelt. Aber mit unserer ehrlichen und bodenständigen Arbeit können auch große Klubs von uns lernen«, betonte Sanwald. Wie etwa der Hamburger SV. Der 1. FC Heidenheim, der den FC Bayern im DFB-Pokal-Viertelfinale 2019 beim 4:5 fast blamiert hätte, hat sich seit Jahren mit Gelassenheit, Professionalität, Zusammenhalt, Weitblick und Kontinuität in der 2. Liga etabliert. Schon in der vergangenen Saison gehörte der Verein von der Ostalb lange zu den Aufstiegskandidaten.

Der Erfolg trägt einen Namen: Frank Schmidt. Seit 2007, damals noch in der Oberliga, ist er im Traineramt. Und längst ist der gebürtige Heidenheimer, der beim Vorgängerverein Heidenheimer SB auch selbst Fußball gespielt hat, zu einer Institution geworden. »Der kann sich nur selber entlassen«, wiederholte Sanwald - selbst seit 26 Jahren im Verein - zuletzt.

Das Erfolgsgeheimnis Schmidts? »Wenn man so lange Trainer ist wie Christian Streich in Freiburg oder ich hier, dann reicht es nicht, fachlich gut zu sein. Man braucht Sozialkompetenz«, sagte der Coach mal in einem Interview der »Zeit«. Vor allem aber, nehme er sich »nicht wichtiger, als ich bin«. Mit seinen Spielern rede er auch »über andere Dinge, wir lachen und weinen gemeinsam. Also das, was das Leben ausmacht. Fußball ist für mich das Leben.«

Angebote für den erfolgreichen Coach gab es einige: »Aber ich fühle mich hier wertgeschätzt.« Weshalb er seinen Vertrag bis 2023 verlängert hat. Der Verein habe, so Schmidt, »immer Ziele und ist nie zufrieden, was gut zu mir passt. Ich bin ein ehrgeiziger und emotionaler Mensch. Es gab noch keinen Tag, an dem ich keinen Bock hatte.« Das überträgt sich auf sein Team, das von Kapitän Marc Schnatterer angeführt wird. Auch der 34-Jährige, seit 2008 beim FCH, ist eine Ikone auf der Ostalb.

Zusammen wollen Schmidt und Schnatterer nun den Aufstieg realisieren. Auf diesem Weg baut der Klub seit Jahren auf das Umfeld und dessen Finanzkraft. »Heidenheim alleine wäre vermutlich zu klein, aber die ganze Region gibt das her. Wir haben unsere Nische gefunden«, sagte Sanwald. Auch einen möglichen Aufstieg sieht er pragmatisch. Themen wie der nötige Umbau der nur 15 000 Zuschauer fassenden Voith-Arena, die neben dem Schloss Hellenstein über der Stadt liegt, seien »machbar und lösbar«. Nun fehlt nur noch der letzte Schritt, um die Mücken rückwärts fliegen zu lassen. SID/nd

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