Mauerpark größer, aber nicht groß genug

Im Ausland bekannte Berliner Grünanlage ist für 14 Millionen Euro um sieben Hektar erweitert worden

Berlins Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) schiebt einen Bauzaun zur Seite und lädt so dazu ein, den neuen Teil des Mauerparks zu betreten. Offiziell freigegeben werden die sieben zusätzlichen Hektar an diesem Freitag gegen 17 Uhr. Von Juli 2016 an ist daran gearbeitet worden, 14 Millionen Euro hat es gekostet. Noch ist nicht alles fertig. Die alte Kartoffelhalle auf dem Gelände soll bis 2021 zum Park- und Kulturzentrum umgebaut werden. Hier sollen auch Toiletten hineinkommen.

Der Park verläuft zwischen den Ortsteilen Prenzlauer Berg und Wedding, die zu den Bezirken Pankow beziehungsweise Mitte gehören. Hier stand zwischen 1961 und 1990 ein Abschnitt der Berliner Mauer. Auf 293 Metern ist der Verlauf der einstigen Grenze der Systeme mit einer Doppelreihe Pflastersteine nachgezeichnet. Senatorin Günther hat früher selbst mal in der Nähe gewohnt und freut sich, wie schön alles geworden sei. Es schwärmt auch Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne), der im Bezirk Pankow für die Stadtentwicklung zuständig ist. Er sagt: »Mit der Erweiterung wird der Mauerpark zu einer grünen Oase inmitten der Stadt.«

Dringend notwendig wäre das. In dieser Gegend der Hauptstadt gibt es viel zu wenige Grünanlagen. Entsprechend überbeansprucht war der schon bestehende Teil des Mauerparks bisher. An warmen Sommertagen herrscht dort Gewimmel. Es wird getrommelt, Ball gespielt und gefeiert. Der Rasen ist deswegen permanent kaputt. Jenseits von Corona sammeln sich Menschenmassen an Freilichtbühne, wenn dort Karaoke gesungen wird. Die Zuschauerplätze schmiegen sich an den Hang zum Stadion nebenan. Die Erwähnung in Reiseführern sorgt für internationales Publikum. Von einem Geheimtipp kann man nicht sprechen, dafür ist der Park nun viel zu bekannt. Eigentlich ist das schön, aber es ist alles zu viel geworden.

Nur die Erweiterung, die ist gerade deswegen klein geraten. Das jedenfalls meinen Heiner Funken und viele andere Bürger, die sich seit 15 Jahren dafür eingesetzt haben. Denn in seinem nördlichen Teil verengt sich der Mauerpark schlauchartig. Eine Teilfläche, die eigentlich in die Parkanlage einbezogen werden sollte, ist nun dicht mit Wohnhäusern bebaut. Die Frischluft, die von Norden über eine S-Bahntrasse einströmen konnte, wird so abgeblockt.

Es hat einige Bürgerinitiativen gegeben, die sich für andere Lösungen engagierten und vor anderthalb Jahrzehnten im Zuge einer symbolischen Landnahme Bäume pflanzten, darunter der Bürgerverein Gleimviertel. Einige dieser Bäume durften nun in der Erweiterungsfläche stehen bleiben. Hätten sich die Anwohner nicht engagiert, wäre noch mehr Fläche zubetoniert worden, ist Funken überzeugt. Von einem »Erfolg« oder »Teilerfolg« will er trotzdem nicht sprechen. Diese Begriffe scheinen ihm hier fehl am Platz, denn ihm gefällt ganz und gar nicht, wie es geworden ist. »Da sind die Landschaftsgärtner heiß gelaufen«, moniert er. Vorher sei es ein »verwunschener, wilder Garten aus sich selbst heraus gewesen«, an dem man wenig bis nichts hätte machen müssen. Nun wurden die Stellplätze für einen Flohmarkt befestigt, was nichts anderes heißt als versiegelt. »Das ist nicht schön, das ist nicht ökologisch, das ist alles jetzt beamtenschön«, bedauert Funken. Die Beteiligung der Bürger bei der Gestaltung des Mauerparks sei ein Placebo gewesen und eingeschlafen.

Viel positiver sieht das Alexander Puell, Sprecher der Bürgerwerkstatt Mauerpark fertigstellen. Er freut sich, dass mit der Erweiterungsfläche ein ruhigerer Bereich entstanden sei, der auch Rückzugsorte für Anwohner, Familien und gestresste Großstädter biete. »Für uns ein idealer Kontrast zum quirligen und weltweit für seine Musik geliebten Bestands-Mauerpark.« Vollendet worden sei nun die Planung von Landschaftsarchitekt Gustav Lange aus dem Jahr 1992, heißt es.

Doch es kehrt keineswegs Frieden ein. Die alten Konflikte setzen sich in neuen Entwicklungen fort. Heiner Funken erinnert an die geplante Umgestaltung des Jahn-Sportparks nebenan, wo Bäume gefällt würden, und verweist auf eine versprochene Grünfläche am anderen Ende des Mauerparks, die gekippt worden sei.

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