RWE mit zwei Gesichtern

Bei dem Energiekonzern spielen die Erneuerbaren mittlerweile eine wichtige Rolle, doch von der fossilen Vergangenheit will man sich nicht lösen

Wer sich in diesen Tagen mit RWE beschäftigt, der könnte glauben, es gäbe zwei Energiekonzerne mit demselben Namen. RWE sieht sich selbst als Stromerzeuger auf dem Weg in die Zukunft - jung, modern und irgendwie grün. In der Selbstdarstellung gibt es fast nur noch Windräder und Solaranlagen zu sehen. Aber da ist noch das andere RWE: der Konzern mit dem größten CO2-Ausstoß in Europa, der Hunderte Meter tiefe Löcher in die Landschaft gräbt, Menschen aus ihren Dörfern vertreibt und an Geschäften mit radioaktiven Materialien verdient. Bei der Hauptversammlung des Konzerns an diesem Freitag, die coronabedingt im Internet stattfindet, prallen die beiden Sichtweisen auf den Konzern aufeinander. Seit Jahren ist das Aktionärstreffen ein wichtiges Datum für den Klimaprotest, der im Aufwind ist, während es RWE schlecht ging.

Inzwischen sieht es etwas anders aus. RWE konnte im vergangenen Jahr einen sehr profitablen Tausch einfädeln. Das Tochterunternehmen Innogy ging an den Konkurrenten Eon, während RWE die erneuerbaren Energien von Innogy erhielt und zusätzlich die gleiche Sparte von Eon. Bei der Bilanzpressekonferenz Mitte März verkündete Konzernchef Rolf Martin Schmitz: »Das Feld der neuen RWE ist bereitet.« Auch sonst präsentiert er sich als Mann des Wandels. In der Vorabfassung seiner Rede auf der Hauptversammlung wird betont, die erneuerbaren Energien seien »der entscheidende Erfolgsfaktor«. Auch bei den alten fossilen Energieträgern kann RWE frohe Botschaften verkünden: In dieser Woche einigte sich der Konzern mit der Bundesregierung auf Verträge zum Ausstieg aus der Braunkohle. Sie bringen RWE Entschädigungen von etwa 2,7 Milliarden Euro ein, während am Tagebau Garzweiler weiter abgebaggert werden darf wie geplant.

Gar nicht zufrieden mit diesem Deal sind Kohlegegner, die am Freitag »kreativen Protest« vor der RWE-Zentrale in Essen vorbereitet haben. Antje Grothus, die als Bewohnerin eines Tagebaurandortes in der Kohlekommission saß, sagte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, wie der Ausstieg nun geplant sei, verlasse den damaligen Konsens. RWE betreibe »massive Desinformation« und werde dabei von der Politik gehört. Besonders kritisiert Grothus, dass bei der Gesetzgebung zum Tagebau Garzweiler nur auf Zahlen geachtet wurde, die RWE selbst vorgelegt hat. Bis zu 60 Prozent weniger Kohle werde nach anderen Berechnungen benötigt. Würde weniger abgebaggert, sei ein Erhalt der Dörfer am Tagebaurand möglich. Ebenfalls am Freitag will das Bündnis »Alle Dörfer bleiben« zusammen mit Fridays for Future mit einer Menschenkette am Tagebau Garzweiler auf ihre Forderungen aufmerksam machen.

Von Bewohnern der bedrohten Dörfer gibt es zudem eine Warnung an die RWE-Aktionäre. Die Solidargemeinschaft »Menschenrecht vor Bergrecht« hat ein Grundstück am Rand des Dorfes Keyenberg erworben und will dieses keinesfalls verkaufen. Ein Enteignungsverfahren könnte zum Investitionsrisiko werden, sagt Dirk Teßmer, Anwalt der Solidargemeinschaft. Da sich die klimapolitischen und völkerrechtlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren verändert hätten, sei es nicht mehr klar, dass RWE mit einer Enteignung Erfolg hätte. Diesem Risiko sollten sich RWE-Anleger bewusst sein, so der Anwalt.

Auch von Anti-AKW-Initiativen hagelt es Kritik an RWE. Bei den Kraftwerken Gundremmingen und Lingen habe es in diesem Jahr coronabedingt nur Sicherheitsüberprüfungen »light« gegeben, obwohl einige Materialien wegen des Alters der Anlagen fehleranfällig seien, warnt Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Er kritisiert auch die RWE-Beteiligung an der Firma Urenco, die deutschen Atommüll nach Russland exportiere und »Minireaktoren« plane, die das Interesse des US-Verteidigungsministeriums geweckt hätten.

Der Dachverband der Kritischen Aktionäre hat diese und weitere Punkte in Gegenanträgen für die Hauptversammlung zusammengefasst. Zentrale Forderung: Statt eine Dividende an die Aktionäre auszuzahlen, solle RWE Fonds auflegen, mit denen die Folgen des jahrzehntelangen klimaschädlichen Handelns des Konzerns abgemildert werden können.

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